Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
darin, dass ich ihr geglaubt habe.«
Annalise blieb stehen und sah ihn überrascht an. In all den Jahren seit der Scheidung hatte sie nie gehört, dass er ein böses Wort über ihre Mutter äußerte.
Er sah älter und kleiner aus, als er jetzt über ihre Schulter hinweg einen unbestimmten Punkt an der Wand anstarrte. »Ich habe mich ein paar Wochen zurückgehalten, dachte, es wäre das Beste für dich, dann habe ich angerufen und wollte eine Regelung treffen. Ich pflege nicht schlecht über Tote zu reden, Annalise, aber deine Mutter war eine hartherzige Frau.«
Er seufzte tief auf. »Ich bin mit nichts in den Händen von ihr gegangen. Alles, was wir besaßen, steckte in ihrem Unternehmen. Ich hätte die Hälfte verlangen können, aber ich wusste, dass es sie vernichtet hätte. Nachdem ich gegangen war, habe ich sechs Monate lang auf dem Sofa eines Freundes geschlafen, weil ich keine Unterkunft hatte. Deine Mutter hat mir klargemacht, dass kein Richter mir jemals das Sorgerecht zusprechen würde, da ich dir ja nichts zu bieten hätte. Ich habe sie verlassen, weil sie ihr Leben nicht mit mir teilen wollte. Sie wollte weder ihre Träume noch ihre Arbeit noch irgendetwas in ihrem Leben mit mir teilen. Und erst als ich gegangen war, wurde mir klar, dass sie auch keinesfalls die Absicht hatte, dich mit mir zu teilen.«
Er erhob sich, machte aber keinerlei Anstalten, näher zu kommen. »Ich wusste nicht, wie ich mich gegen sie wehren sollte, denn sie war im Besitz der ultimativen Waffe – und das warst du. Sie ließ mich wissen, dass du mich hasstest und dass ich nur Unruhe in dein Leben bringen würde. Sie redete mir ein, es wäre das Beste für dich, wenn du bei ihr bliebest, ein Mädchen bräuchte seine Mutter, aber mich bräuchtest du nicht. Wenn ich mit dir telefonierte oder bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ich dich sehen durfte, hast du dich stets so verhalten, als wärst du überall lieber als bei mir.«
Annalise hielt an ihrem Zorn fest, hatte Angst, dass ihr nichts mehr bliebe, wenn sie ihn losließ. »Ich war ein Kind, Dad. Du hättest etwas unternehmen müssen. Du hättest dir mehr Mühe geben sollen.« Der Zorn war wie ein wildes Tier in ihr, gewann an Macht, weil sie es nährte. All die Jahre des Schmerzes brachen jetzt in ihr auf, als sie zum Regal ging und wahllos einen der Elefanten herausnahm.
»Willst du wissen, was ich von deinen Elefanten halte, Dad?« Sie schleuderte den Elefanten gegen die Wand, wo er in Stücke zerbrach. In einem versteckten Winkel ihres Hinterkopfs wusste sie, dass sie die Kontrolle verloren hatte. »Das halte ich von deinen Elefanten.«
Tränen brannten ihr in den Augen, und ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle. Sie griff nach einem weiteren Elefanten und warf auch diesen an die Wand. Die Scherben spiegelten wider, wie sie sich gefühlt hatte, als sie hoffte, er würde kommen, um sie abzuholen, als er sie wieder einmal enttäuscht hatte. Sie war im Begriff, den dritten Elefanten zu zerschmettern, als ihr Vater sie packte und sie fest an sich zog. »Lass mich los«, schrie sie und hämmerte mit beiden Fäusten gegen seine Brust.
»Nein.« Er legte einen Arm fest um ihre Taille. Sie schlug erneut nach ihm und schluchzte herzzerreißend. Immer und immer wieder schlug sie zu, und er hielt sie in den Armen, zuckte nicht mit der Wimper, versuchte nicht einmal, ihren Schlägen auszuweichen. Als sich ihr Zorn erschöpft hatte, blieb sie schließlich reglos stehen. Tränen strömten ihr über die Wangen. Frank zog sie noch enger an sich und bettete ihren Kopf an seine Brust.
Sie schloss die Augen und ließ sich ein wenig beruhigen. Sie nahm seinen Duft wahr, den Duft, den sie noch aus Kindertagen in Erinnerung hatte: ein Hauch von Rasierschaum, sein vertrautes Aftershave und sein Atem, eine Mischung aus Kaffee und Pfefferminzdrops.
Doch was sie überraschte, war sein kräftig pochender Herzschlag an ihrem Ohr, der noch eine weitere Erinnerung in ihr wachrief. Eine Erinnerung daran, wie sie morgens aufstand, sich anzog und in die Küche ging, wo ihr Vater am Tisch saß, Kaffee trank und die Morgenzeitung las. Wenn sie eintrat, legte er die Zeitung beiseite, rückte mit dem Stuhl vom Tisch ab und forderte sie mit einer Geste auf, auf seinen Schoß zu kommen. Dort kuschelte sie sich zusammen, den Kopf an seine Brust gelegt.
Wieder schluchzte sie in seinen Armen auf. »Seit deiner Geburt bist du mein erster Gedanke am Morgen, und dir gilt mein Gebet am Abend«, sagte Frank
Weitere Kostenlose Bücher