Angst über London
Leicester Square. Mein Plan war falsch gewesen. Ich hätte doch vorher abbiegen sollen.
Links von mir sah ich die National Gallery. Aus dem viereckigen Gebäude stach das große, glänzende Kuppeldach im Innenhof besonders hervor.
Weiter vor mir drehte eine Frau durch. Sie sprang aus dem Wagen und warf beide Arme hoch.
»Das ist der Untergang!« schrie sie. »Der Herrgott straft uns Sünder. Das Jüngste Gericht steht dicht bevor!« Die Frau drehte sich um die eigene Achse. »Betet, ihr Verlorenen, betet, solange ihr es noch könnt, denn die nächste Strafe folgt!«
Die Frau fuhr nicht allein. Ein Mann verließ ebenfalls den Wagen, ging zu ihr und schüttelte sie durch. »Lag mich! Lass mich los! Auch du kannst es nicht verhindern. Du hast immer gespottet und mich ausgelacht. Jetzt bekommst du die Quittung!«
»Steig ein!«
»Nein!«
Sie schrie ihn an, und als der Mann sie schlug, da lachte sie nur und deutete zum Himmel hoch. »Von dort!« schrie sie, »von dort wird die Strafe kommen!« Alle, die ausgestiegen waren, folgten ihrer Hand mit den Blicken. Wir sahen nicht viel, nur einen grauen Himmel und über den Wolken einen Jumbo, der im Warteraum seine Kreise zog.
Irgendwie ging es wieder voran. Wahrscheinlich hatte sich am Leicester Square ein Polizist aufgebaut. Ich stieg ein und fuhr los.
Nach hundert Yard Schritttempo musste ich wieder anhalten. Der nächste Stau.
Motor aus, das Spiel begann von vorn.
Wieder hatte ich Zeit, nachzudenken. Bisher hatte ich nicht viel unternehmen können. Ich war ebenso in der Masse eingekeilt wie jeder andere Londoner auch.
Im Gegenteil, ich hatte es sogar noch schwerer. Man kannte mich nicht, ich war für meine Freunde ein völlig Fremder, und das wiederum bewies mir, dass die gegnerischen Kräfte alles genau geplant hatten. Es war ein teuflisches Spiel, ein Kreislauf des Bösen, in dem ich mich als Mittelpunkt befand.
London und ich.
Wer steckte dahinter?
Zum X-ten Mal stellte ich mir die Frage. Die Antwort hatte ich schon.
Entweder Asmodina oder Dr. Tod. Nur beweisen musste ich es noch.
Die Frage war - wie? Solange ich einem der beiden nicht gegenüberstand, war nichts zu machen. Da musste ich weiter herumlaufen und auf einen glücklichen Zufall hoffen oder warten. Aber Zufälle waren in meinem Leben mehr als selten gewesen.
Ich musste eine Spur finden, eine verdammte Spur. Meine Freunde waren ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden, auf sie konnte ich mich nicht verlassen, sie steckten sicherlich auch im Londoner Verkehr fest.
Und Suko und Shao waren tot!
Wieder stieß es mir heiß vom Magen her hoch. Jetzt, wo ich im Stau steckte, kamen die schlimmen Gedanken, die Trauer überflutete mich.
Hart umkrampfte ich das Lenkrad, hielt es so stark fest, dass meine Knöchel weiß hervortraten, und fiel nach vom.
Ein Geräusch schreckte mich auf.
Es war ein hohles Pfeifen und gleichzeitig ein wütendes Donnern. Eine Militärmaschine, vielleicht ein Starfighter.
Ich schielte aus dem Fenster und suchte mit meinen Blicken den Jäger.
Es war zu dunstig, ich sah ihn nicht. Dafür aber den grellen Blitz.
Er spaltete den Dunst regelrecht, dann erfolgte die Explosion, und im nächsten Augenblick brach eine Hölle über London herein, wie ich sie niemals zuvor erlebt hatte.
Ein Aufschlag.
Dann die Explosion.
Krachend, brutal, zerstörend.
Gewaltige Trümmerteile wirbelten durch die Luft. Pfeilschnell regneten sie auf die Erde nieder, und nicht nur das, sie fielen genau auf das Häusermeer von Soho. Sie zerstörten des.
Bauten fielen ineinander, ich sah Flammensäulen zum Himmel steigen, Rauch, hörte Explosionen, Wohnhäuser fielen um, als wären sie aus Pappe gebaut worden.
Und dazwischen die Schreie! Grell, erschütternd, beängstigend. Immer wieder kam es zu Explosionen. Auch vor mir fielen Blechteile vom Himmel.
Plötzlich bekam ich Angst.
Eines der riesigen Räder wirbelten durch die Luft, und ich sah mit Schrecken, dass es nicht weit von mir entfernt zu Boden fallen würde.
Mein Gott!
Da krachte es schon.
Auf einmal waren einige Wagen gar nicht mehr da. Die Wucht des fallenden Riesenrads hatte sie zerstört. Aber damit war es nicht zu Ende.
Das Rad wurde noch einmal hoch geschleudert, ich sah einen Ted des Gestänges und verkroch mich blitzschnell in den Raum zwischen Sitz und Pedalen.
Dann bekam der Bentley sein Fett.
Irgendein Teil traf das Dach und durchschlug es. Ich roch verbranntes Gummi, eine gewaltige Explosion hob den Wagen hoch und
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