Angst vor dem zweiten Anfang: turbulante Familiengeschichte (German Edition)
Armen, als wäre sie die schönste Frau der Welt für ihn, die er nicht gehen lassen wollte. Das sollte er auch nicht. Sie wollte für immer in seinen Armen bleiben.
Als das dritte Lied zu Ende war und der Klavierspieler eine Pause ankündigte, hatte Johannes sie gebeten zu bleiben. Sie wusste, worum er sie bat, und trotz ihrer Erziehung und ihrer Wertvorstellungen hatte sie ja gesagt. Wie konnte sie ablehnen? Das war ihr Geburtstagsabend. Johannes Kluger war ihr Geburtstagswunsch.
Er hatte sie zu einem kleinen Tisch geführt, ihr den Stuhl zurückgezogen und ihr ein Glas Champagner bestellt. Sie hatte vier Minuten Zeit gehabt, ihre Entscheidung zu überdenken, während er aus dem Raum ging. Sie hatte beobachtet, wie ein Bläschen nach dem anderen an die Oberfläche des Glases getrieben war, aber sie hatte nicht einen Schluck der goldfarbenen Flüssigkeit probiert. Alkohol sollte ihr bei der Entscheidung nicht helfen. Begierde, Sehnsucht und das brennende Verlangen, die Berührungen dieses Mannes zu spüren, hielten sie im Saal fest.
Als Johannes zurückgekommen war, hatte er einfach nur die Hand ausgestreckt, und sie war gerne mit ihm gegangen. Auf der Fahrt hoch in den vierten Stock hatten sie nicht gesprochen, auch dann nicht, als er die Zimmertür mit einer Plastikkarte geöffnet hatte. Es gab nichts zu sagen, oder vielleicht gab es auch zu vieles zu sagen. Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, hatte er sie in die Arme genommen und ihren Mund mit seinem bedeckt.
Sein Kuss war weder sanft noch fordernd gewesen. Johannes Kluger hatte sie geküsst, als hätte er das schon tausendmal vorher getan. Er zog sie näher, und sie hatte gewusst, dass es keine Umkehr mehr gab. Die Hitze schlug über ihnen zusammen, und ihre Kleidung landete in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden, als sie zum Bett hinüber taumelten. Johannes Hände und Lippen waren überall, berührten, liebkosten und streichelten. Sie hatte seine Aufmerksamkeiten mit fiebrigen Küssen und streichelnden Fingerspitzen erwidert.
Er hatte kaum die Zeit gefunden, sich zu schützen, ehe sie ins Bett gefallen und er sich tief …
Brrrring! Das Schrillen des Telefons verbannte die erotischen Erinnerungen.
Sanna ließ ihr Buch sinken und hob den Hörer ab, ehe es ein zweites Mal klingeln konnte. Sie wollte nicht, dass die Kinder aufwachten. „Hallo?“ Ihre Stimme war noch heiser von ihren Erinnerungen. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte noch nicht ganz elf. Wer rief sie denn um diese Zeit noch an?
„Sanna?“
Sie hielt den Hörer vom Ohr weg und starrte ihn an. „Johannes?“ So etwas von peinlichem Zufall! Die Hitze brannte noch immer in ihr und ihr ganzer Körper verlangte nach ihm.
„Wer ruft dich denn sonst noch an?“
„Niemand. Ich habe auch nicht auf einen Anruf von dir gewartet.“ Um die Wahrheit zu sagen, sie hatte gedacht, dass sie nie wieder von ihm hören würde.
„Ich habe doch gesagt, dass ich mich wieder melde.“
Sie sah noch einmal auf die Uhr am Bett. „Aber das ist erst zwei Stunden her.“
„Ich wollte dir genügend Zeit geben, um die Kinder zu baden und zu tun, was immer Mütter tun, ehe sie ihre Kinder ins Bett bringen.“
„Mütter tun alles Mögliche. Es kommt immer auf die Mütter und die Kinder an.“
„Was machst du?“
Sanna holte tief Luft, entspannte sich und lehnte sich bequem im Bett zurück. Die pfirsichfarbene Decke lag zerknüllt am Fußende, wo sie sie während ihrer Träumereien hingeschoben hatte. Eine leichte Brise bewegte die Vorhänge. Von draußen drang das Geräusch der Zikaden herein, die die Nacht mit ihrem Zirpen erfüllten.
Noch nie hatte jemand von ihr wissen wollen, wie sie die Kinder ins Bett brachte. Wenn Johannes jetzt vor ihr stünde, würde sie die Frage sicher mit einem Schulterzucken abtun. Aber er war nicht da, sondern rief sie von zu Hause an. Soviel Entfernung lag zwischen ihnen, und seine tiefe Stimme erfüllte sie mit einer Sehnsucht, die nie gestillt werden könnte. Rainer hatte sich nie darum gekümmert, wie die Kinder ins Bett kamen. Meist war er zu der Zeit ohnehin nicht zu Hause gewesen.
„Jonas ist in einem Alter, wo er nicht will, dass ich viel helfe. Er hält sich für selbständig genug, alleine zu duschen und dann ins Bett zu gehen. Aber ich glaube, es gefällt ihm, wenn ich dann bei ihm hereinschaue und ihm gute Nacht sage.
Anna-Maria besteht darauf, dass wir auch alle ihre Puppen ins Bett bringen und ihnen einen Gutenachtkuss
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