Angst
14 164 Punkten. Gestern Abend – ich habe das noch einmal überprüft, bevor ich das Büro verlassen habe – schloss der Dow mit 10 866. Das entspricht einem Verlust über die letzten zweieinhalb Jahre von fast einem Viertel. Stellen Sie sich das vor! All die armen Trottel mit ihren Pensionsplänen und Indexfonds haben etwa 25 Prozent ihres Investments verloren. Sie jedoch haben auf uns vertraut, und der Wert Ihres Vermögens hat sich im gleichen Zeitraum um 83 Prozent erhöht. Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, meine Damen und Herren, dass Sie damals eine ziemlich kluge Entscheidung getroffen haben, als Sie uns Ihr Geld anvertraut haben.«
Zum ersten Mal riskierte Hoffmann einen kurzen Blick in die Runde. Quarrys Publikum hörte konzentriert zu. (»Zwei Dinge interessieren die Leute mehr als alles andere auf der Welt«, hatte Quarry einmal zu ihm gesagt. »Das Sexleben der anderen und das eigene Geld.«) Sogar Ezra Klein, der wie ein Student in einer Koranschule hin und her wippte, war vorübergehend verstummt. Währenddessen konnte Mieczys ł aw Ł ukas i ´ nski mit seinem feisten, bäuerlichen Gesicht einfach nicht aufhören zu grinsen.
Quarrys rechte Hand lag immer noch auf Hoffmanns Schulter, die linke steckte lässig in der Hosentasche. »In unserem Geschäft nennen wir die Differenz zwischen Markt ergebnis und Fonds-Performance Alpha. In den vergangenen drei Jahren hat Hoffmann Investment Technologies ein Alpha von 112 Prozent generiert. Deshalb haben uns die Journalisten der Börsenblätter zweimal zum Algorithmic Hedge Fund of the Year gewählt.« Er hielt kurz inne und fuhr dann fort. »Ich kann Ihnen eines versichern: Diese konstan te Performance hat nichts mit Glück zu tun. Pro Jahr geben wir 32 Millionen Dollar für Forschung aus. Wir beschäf tigen sechzig der hervorragendsten wissenschaftlichen Köpfe der Welt. Hat man mir zumindest gesagt. Ich selbst habe keinen blassen Schimmer von dem, was die da tun.«
Er ließ das mitleidige Gelächter gelassen über sich ergehen. Der britische Banker Iain Mould kicherte besonders heftig, und Hoffmann wusste sofort, dass er ein Idiot war. Quarry nahm seine rechte Hand von Hoffmanns Schulter und zog die andere aus der Tasche. Er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und beugte sich vor. Sein Tonfall wurde plötzlich ernst und eindringlich.
»Vor achtzehn Monaten haben Alex und sein Team einen bedeutenden technologischen Durchbruch erzielt. Als Folge davon mussten wir die sehr harte Entscheidung treffen, den Fonds umgehend zu schließen, das heißt, keine weiteren Investments mehr anzunehmen, selbst von unseren Bestandskunden nicht. Ich weiß, dass diese Entscheidung jeden Einzelnen von Ihnen enttäuscht und verunsichert hat, dass manche von Ihnen sogar ziemlich verärgert darüber waren. Und das ist der Grund, warum wir sie heute hierhergebeten haben.«
Er warf einen Blick zu Elmira Gulzhan, die ihm gegenüber am anderen Ende des Tisches saß. Hoffmann wusste, dass sie Quarry am Telefon angeschrien hatte. Sie hatte gedroht, das Geld ihrer Familie aus dem Fonds abzuziehen, und sogar noch drastischere Konsequenzen angedeutet. (»Wenn Sie die Gulzhans abservieren, dann servieren die Gulzhans Sie ab.«)
»Nun …«, sagte Quarry und sandte die kaum wahrnehmbare Andeutung eines Kusses in Elmiras Richtung. »Wir möchten uns bei Ihnen dafür entschuldigen. Aber wir standen auf dem Standpunkt, dass wir uns darauf konzentrieren müssen, die neue Investmentstrategie dem Umfang unseres aktuellen Anlagevermögens anzupassen. Wie Ihnen sicher bewusst ist, besteht bei jeder Art von Fonds das Risiko, dass die Ausweitung des Umfangs die Performance beeinträchtigen kann. Und dieses Risiko wollten wir so weit wie nur irgend möglich ausschließen.
Wir sind nun der Überzeugung, dass das neue System, das wir VIXAL -4 nennen, stabil genug ist, um die Erweiterung des Portfolios zu meistern. Tatsächlich lag das generierte Alpha in den vergangenen sechs Monaten schon wesentlich höher als zuvor, als wir noch die ursprünglichen Algorithmen einsetzten. Deshalb kann ich Ihnen mitteilen, dass mit Stichtag heute Hoffmann Investment Technologies seine Haltung modifiziert und bereit ist, ausschließlich von seinen Bestandskunden weitere Investments zu akzeptieren.«
Er machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser, damit sich die Wirkung seiner Worte entfalten konnte. Es herrschte vollkommene Stille im Raum.
»Na, wo bleibt der Beifall?«, sagte er mit
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