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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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hatte, bis sie zu dem Schluss gekommen war, dass es unter den gegebenen Umständen nur einen möglichen Ausweg gab: Gareth durfte nie etwas erfahren. Andy musste bleiben und so tun, als wäre nichts gewesen. Sie würden das Haus fertig bauen, sie würde ihr Baby zur Welt bringen, und dann würde alles gut werden. Diese Strategie hatte Rose schon früher angewandt, und sie würde funktionieren, das wusste sie.
    Und? Ist alles gut geworden?, fragte sich Rose nun, als sie aus der Wanne stieg und sich abtrocknete. Sie holte sich die Körperlotion aus dem Regal, die sie passend zum Badeöl gekauft hatte, und rieb sich damit die Beine und den Bauch ein, der, so fiel ihr auf, durch die Krankheit ein wenig schlaff geworden war.
    Am Morgen nach dem Vorfall in der Gartenkolonie hatte sie Gareths Augen gesehen. Daher kannte sie den Blick, den er ihr jetzt beim Abendessen zugeworfen hatte. Nach dem Frühstück hatte sie Andy abgepasst und ihm ihren Plan auseinandergesetzt. Er war zu einer anderen Entscheidung gelangt als sie: Er wolle weg, zurück in sein Haus in der Bretagne, damit sie alle ein bisschen Abstand voneinander hätten, wie er es ausdrückte. Es kostete sie viel Überredung, aber Rose wusste, dass sie einiges in die Waagschale werfen konnte, und schließlich blieb er genauso lange, wie er geblieben wäre, wenn das zwischen ihm und Rose nicht passiert wäre. Sie gingen nach wie vor vertraut miteinander um, ließen aber keine Berührungen mehr zu. Rose hatte den Verdacht, dass ihr dies leichterfiel als ihm. Wenn sie ganz ehrlich war – und sie hatte hinreichend bewiesen, dass ihr das schwerfiel –, dann hatte der Sex mit Andy eine ähnliche Wirkung gehabt, als hätte man den Deckel von einem Schnellkochtopf gerissen. Sie hatte enormen Druck abgelassen, und danach war es ihr – auch wenn die Sache mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden gewesen war – bessergegangen.
    Nach seiner Abreise hatte Andy ihr noch mehrmals geschrieben. Er war damit kein Risiko eingegangen, weil er gewusst hatte, dass es Roses Aufgabe war, vors Haus zu gehen und die Post aus dem amerikanischen Briefkasten zu holen, den er zusammen mit Gareth aufgestellt hatte. Rose hatte die Briefe ungeöffnet ins Feuer geworfen. Sie hatte mit der Sache ein für alle Mal abschließen wollen.
    Rose zog sich ein sauberes Nachthemd über, ein wunderschönes viktorianisches Gewand aus schwerem, weichem Baumwollstoff. Dann schlich sie ins Schlafzimmer und kletterte vorsichtig zwischen ihre beiden Töchter. Dort lag sie und blickte durchs Dachfenster zu den stecknadelkopfgroßen Sternen hinauf.
    Dies alles hier , dachte sie. Das ist es doch wert gewesen. Nicht wahr?

40
    D er Gewehrschuss riss Rose aus einem beunruhigenden Traum, dessen vorherrschendes Gefühl erst dumpf und schwer war und dann glänzend und hell. Der auf den Schuss folgende Schrei – Annas Schrei von unten aus dem Garten – machte ihr klar, dass sie allein im Bett lag. Schon wieder war jemand hereingekommen und hatte ihr die Kinder gestohlen.
    Eiseskälte fuhr ihr in den Körper. Mit einem Satz war sie aus dem Bett und stürzte die Treppe hinunter. Sie war noch gar nicht richtig wach, als sie die Szene in sich aufnahm. Polly stand in der Küche, mit dem Rücken zu Rose, und sah durch die geöffnete Hintertür in den Garten. Sie hielt sich selbst in den Armen, so wie Kinder es machen, wenn sie so tun, als würden sie jemanden leidenschaftlich küssen. Dadurch stand der Ausschnitt ihres apricotfarbenen Seidennachthemds hinten ab und gab den Blick frei auf die zwei Tattoos und die Klaviatur ihrer Rippen, in deren Mitte die Wirbel wie ganze Noten untereinander in einer Reihe saßen. Von der morgendlichen Kühle hatte sie eine Gänsehaut, und in der fahlen Morgensonne, die von der anderen Seite ins Zimmer fiel, war jede einzelne Erhebung deutlich sichtbar.
    Es war eine seltsame, unbewegte Szene, bei deren Anblick Rose abrupt auf der Treppe stehen blieb, einen Fuß hoch in der Luft und den Mund weit aufgerissen, als wäre sie eine Figur in einem Cartoon. Alles hing einen Augenblick lang in der Schwebe, während sie die Situation zu erfassen versuchte. Sie folgte der Richtung von Pollys Blick und sah Gareth draußen auf dem Rasen über einem kleinen Häufchen knien. Neben ihm lag ein Gewehr. Ein Gewehr?
    Dann hörte sie Anna erneut »Neiiin!« schreien und sah, wie sie über den Rasen auf ihren Vater zustürzte.
    Rose ächzte, und ihre Faust flog an ihren Mund. »Flossie!«
    Sie rannte quer

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