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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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die Glocke nicht gehört«, keuchte Anna. »Nico, Yannis, das ist mein Dad, Gareth.«
    Die beiden Jungs standen rechts und links von Anna. In der Gegenwart des großen Mannes waren sie auf einmal ganz verschüchtert.
    Gareth ging vor ihnen in die Hocke. »Hi, Jungs«, sagte er freundlich.
    »Er ist echt cool«, verkündete Anna. »Wenn er nicht gerade arbeitet.« Sie verdrehte die Augen.
    »Ich werd dir gleich, Fräulein«, rief Gareth und schwang Anna in die Luft, über die Schulter und einmal in der Runde – ein kompliziertes Manöver, bei dem sie jedes Mal vor Lachen kreischte.
    »Jetzt ich! Jetzt ich! Ich will auch mal!«, rief Yannis.
    »In Ordnung, junger Mann, jetzt bist du dran«, sagte Gareth und machte mit ihm dasselbe.
    Bald darauf kugelten sich alle drei – selbst Nico hatte der Versuchung nicht widerstehen können – lachend am Boden. Die Küche schien erfüllt von einer ganz neuen Energie.
    »So, jetzt kommt aber mal essen.« Rose hatte Mühe, sich Gehör zu verschaffen.
    »Ich denke, wir sollten tun, was die Dame sagt«, meinte Gareth und zog Nico und Yannis auf die Beine. In seinem großen Pullover, den Schaffellpantoffeln und ausgeleierten Cordhosen sah er neben den beiden aus wie ein sanfter Riese. Die Jungs waren so klein und schmächtig, und Rose ertappte sich bei dem Gedanken, dass man ihnen, wären sie in England geboren worden, wahrscheinlich sofort einen Betreuer vom Jugendamt an die Seite gestellt hätte. Sie sah ihren Mann an und lächelte. Er hieß sie alle in ihrer Höhle willkommen.
    Gareth setzte Anna und die Jungs auf ihre Plätze, küsste Rose und nahm ebenfalls am Tisch Platz.
    »Wenn du die drei hier aufpäppeln willst, Rose, wirst du alle Hände voll zu tun haben«, stellte er fest. Und Polly – die hypersensible Polly mit ihrer Paranoia in Bezug auf ihre Kleidergröße und mit ihrer gestörten Beziehung zum Essen – lachte. So leicht schaffte es Gareth, dass andere sich wohl fühlten.
    Rose gegenüber hatte er einmal behauptet, dass er gleich als neugeborenes Baby habe lernen müssen, andere mit seinem Charme zu beeindrucken, nämlich als er zwei Fremden in die Arme gelegt worden sei.
    »Aber Pam und John haben sich doch bestimmt auf den ersten Blick in dich verliebt«, hatte sie eingewandt. »Sie hatten sich so auf dich gefreut.«
    »Und warum haben sie mich dann angelogen?«, hatte er zurückgegeben. Darauf war Rose keine Erwiderung eingefallen.
    Sie saßen alle am langen Eichentisch, und Rose servierte den Rinderschmortopf, der seit dem Morgengrauen im Ofen vor sich hin geköchelt hatte.
    Eine Zeitlang war nichts zu hören als die Kaugeräusche der Jungs. Sie schlangen, als hätten sie seit Wochen nichts zu essen bekommen.
    Rose zählte mit, wie viele volle Gabeln den Weg in Pollys Mund fanden. Es waren zwei. Sie wandte den altbewährten Trick an, das Essen auf dem Teller hin und her zu schieben, damit es den Anschein hatte, als äße sie. Es sah ziemlich überzeugend aus.
    »Was sind das denn für Dinger?« Yannis, der seinen Teller leer gegessen hatte, lief in der Küche umher und schaute sich alles ganz genau an. Normalerweise hätte Rose ihn gebeten, mit dem Aufstehen zu warten, bis alle fertig waren, aber an diesem ersten Abend, fand sie, konnte man eine Ausnahme machen.
    »Das sind meine Eier«, erklärte Anna, nachdem sie den Bissen, an dem sie gerade kaute, heruntergeschluckt hatte. »Du kannst sie gern runterholen, wenn du willst.«
    »Warte, ich helfe dir«, sagte Gareth und stand auf, um den Korb von der Anrichte zu heben. »Die sind ganz schön schwer.«
    Yannis trug den Korb voller blankpolierter steinerner Eier zu Anna, die ihn auf den Tisch stellte, nachdem er hastig Teller und Besteck zur Seite geschoben hatte, um Platz zu schaffen.
    »Vorsicht, Yannis«, bat Rose und fing ihr Weinglas auf, das um ein Haar umgefallen wäre. Belustigt sah sie zu, wie ihr sorgsam gedeckter Tisch im Chaos versank.
    »Das hier«, sagte Anna, nahm ein glänzendes grünes Ei von der Größe eines Hühnereis aus dem Korb und reichte es an Yannis weiter, »hat Daddy mir aus China mitgebracht.«
    »Ich will auch mal sehen!« Nico war aufgesprungen und riss seinem kleinen Bruder das Ei aus der Hand.
    »He!«, schrie Yannis.
    »Ist doch nicht so schlimm, Yannis«, beruhigte Anna ihn und nahm als Nächstes ein etwas größeres, türkisfarbenes Ei aus dem Korb. »Du kannst dafür ein anderes haben. Hier, das ist mein Lieblingsei. Daddy hat es aus Japan mitgebracht, als ich vier

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