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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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alter Mann, dachte sie, als sie zurück durchs Wohnzimmer schlich.
    »Lügnerin«, brummte Polly vom Bett her.
    »Was?« Rose blieb erschrocken stehen.
    »So war es gar nicht«, murmelte Polly halblaut, während sie sich umdrehte und wieder unter die Bettdecke kroch. Sie seufzte einmal, und kurz darauf begann sie, leise zu schnarchen.

11
    A m nächsten Morgen herrschte klirrender Frost. Das blassgoldene Sonnenlicht hatte gerade damit begonnen, den harten Boden unter ihren Füßen etwas aufzutauen, als Rose, Flossie, Simon und Trooper auf dem Heimweg von der Schule die Wiese zum Pförtnerhaus überquerten.
    »Wie ich höre, hat sie gestern ganz schön für Aufsehen gesorgt«, meinte Simon und schlenkerte die Brotdose hin und her, die er Liam mitzugeben vergessen hatte.
    »Wer?«, fragte Rose, während sie eine Mauerschwalbe beobachtete, die durch den Himmel schoss. War es nicht noch zu früh für Schwalben?
    »Miss Novak. Sie war am Schultor das Gesprächsthema Nummer eins.«
    »Ach so, ja. Wahrscheinlich ist sie eine willkommene Abwechslung zu dir«, meinte sie und hob vielsagend eine Braue.
    Für gewöhnlich war Simon der einzige Vater, der seine Kinder zur Schule brachte. Aus diesem Grund und weil er noch dazu groß, blond und für einen Vater ziemlich attraktiv war, hatten die meisten Mütter ein Auge auf ihn geworfen. Er stand in dem Ruf, immer für einen Flirt zu haben zu sein, aber Rose schob das darauf, dass er ein offener und herzlicher Mensch war, dessen leutselige Art von der engstirnigen Gemeinschaft der Mütter absichtlich falsch interpretiert wurde. Offenbar gab es nicht viel anderes, worauf sie ihr Interesse – oder ihre Blicke – hätten richten können.
    Auch der Umstand, dass Simon und Rose oft gemeinsam nach Hause gingen, war nicht unbemerkt geblieben, ebenso wenig wie die Tatsache, dass er regelmäßig bei ihr zu Besuch war. Rose fand solchen Klatsch lächerlich. Ihr Haus lag auf Simons Heimweg, und er hatte ihr mehr als einmal gestanden, dass ihm jedes Mittel recht sei, um den morgendlichen Arbeitsbeginn hinauszuzögern. Manchmal ärgerten sie die bedeutungsvollen Blicke, die man ihr vor der Schule zuwarf. Manche Leute hatten einfach kein eigenes Leben.
    Trooper kam mit einem speicheltriefenden Stock im Maul angelaufen, den Simon nahm und erneut wegwarf. Er flog in hohem Bogen durch die Luft und landete am Feldrain.
    »Ich habe sie seit gestern nicht mehr gesehen«, meinte Rose. »Seit wir den Termin bei Janet hatten.«
    »Dann musstest du dich den ganzen Abend um die Jungs kümmern?«
    »Ach, das macht mir nichts aus. Auf ihre Art sind sie wirklich lieb. Ich mag sie inzwischen richtig gern. Ich habe sogar überlegt, ob es nicht praktischer wäre, wenn sie fürs Erste ins große Haus umzögen – wenigstens bis es Polly so gutgeht, dass sie sich wieder mehr um sie kümmern kann.«
    »Also, wie ich gehört habe, ging es ihr ausgezeichnet.« Simon lachte.
    »Das ist doch alles nur Fassade. Sie kann sich eben gut verstellen.«
    Sie waren am Eingang zu Roses Garten angelangt.
    »Und? Hast du noch Zeit für ein Tässchen Kaffee?«, fragte Simon.
    »Weil du es bist«, antwortete sie und hielt ihm das Tor auf.
    Rose freute sich, dass Simon noch mitkam. Er brachte ein Stück der großen, weiten Welt in ihr Haus. Er fuhr oft nach London, um sich mit Agenten, Lektoren und Journalisten zu treffen – Menschen, die seine Arbeit und seine Meinung schätzten. Sie liebte es, wenn er vom Soho House oder vom Groucho Club erzählte. Dann bekam sie oft Sehnsucht nach dem Leben, das sie mit ihrem Wegzug aus London aufgegeben hatte – wenngleich nur in der Theorie, denn in Wirklichkeit hatte sie sich, als sie in Hackney gewohnt hatten, so gut wie nie weiter nach Westen vorgewagt als bis zur London Bridge. Gleichzeitig jedoch machte ihr die Tatsache, dass Simon auch weiterhin seinem vielseitigen kulturellen Leben in der Stadt nachging, bewusst, wie viele Möglichkeiten der Ort bot, den sie und Gareth sich als ihr Zuhause ausgesucht hatten. Wer wusste, was Rose alles unternehmen würde, sobald Flossie in die Schule kam!
    Zu Roses Erstaunen trafen sie in der Küche auf Polly. Sie saß im Sessel, hatte Kater Manky auf dem Schoß und einen Becher Kaffee in der Hand. Ihr Nachthemd war ein anderes als am Tag zuvor, aber genauso freizügig – ein knöchellanges, hautenges rotes Gewand aus T-Shirt-Stoff, dessen tiefer Rundhalsausschnitt kaum die kleinen Nippel verdeckte, die von ihren flachen Brüsten aufragten.

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