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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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dem Garten kommend, ums Haus herum zum Pizzaofen gingen, wo ein steinerner Tisch mit Bänken stand. Hier setzte sich Anna jeden Tag hin, um die Eier zu zählen.
    »Mein Papa ist tot«, meinte Nico gerade.
    »Ja, ja, ich weiß«, sagte Anna. »Jetzt hab ich mich verzählt.«
    »Aber vielleicht kommt er wieder«, meldete sich Yannis zu Wort. Roses Herz krampfte sich zusammen.
    »Tut er nicht, malaka « sagte Nico.
    »Vielleicht aber doch.«
    »Und unsere Mama ist berühmt. Und sie ist hübsch und dünn«, fügte Nico hinzu.
    »Meine Mum ist auch hübsch«, entgegnete Anna, loyal wie immer.
    »Aber unsere Mama ist sehr tapfer. Manchmal hat sie Schnitte am Körper, und die bluten dann«, prahlte Yannis.
    »Halt’s Maul, Yannis«, fauchte Nico.
    »Und meine Yaya ist eine Hexe, weil sie gesagt hat, dass Mama Papa umgebracht hat«, fuhr Yannis fort.
    »Hat sie nicht!«, sagte Nico mit drohend erhobener Stimme.
    »Hat sie wohl. Ich hab sie gehört, und dann hat Mama zu Yaya gesagt, dass sie eine Hexe ist.«
    »Yaya hat nicht gemeint, dass Mama Papa in echt umgebracht hat«, sagte Nico.
    »Hat sie doch, ich hab sie ja gehört.«
    »Hast du gar nicht, und jetzt halt’s Maul, Yannis!«, schrie Nico, dann folgte ein lauter Krach und ein erschreckter Aufschrei von Anna.
    » Mum !«
    Rose kam gerade noch rechtzeitig, um Nico von seinem Bruder herunterzuzerren. Nico schrie, Yannis heulte, und die Eier lagen zerbrochen auf der Terrasse. Anna stand daneben und rang die Hände.
    »Das reicht jetzt, ihr zwei«, sagte Rose und hielt die beiden Jungs an ausgestreckten Armen auseinander. Sie fragte sich, wie um alles in der Welt sie diesen Konflikt klären sollte. Doch dann sah sie aus dem Augenwinkel den Fuchs, der am hinteren Ende des Gartens zwischen Apfel- und Birnbaum herumschlich.
    »Anna, sind die Hühner drinnen?«
    »Klar«, sagte Anna und folgte dem Blick ihrer Mutter. »Oh, Foxy!«
    »Seht mal«, flüsterte Rose und legte die Arme um die Jungen. »Da hinten.«
    »Frisst der nicht die Hühner?«, fragte Yannis.
    »Nicht wenn sie drinnen sind. Sie haben einen fuchssicheren Stall«, erklärte Rose. »Wir haben unseren Fuchs gern. Ich würde sagen, wir lassen ihm die zermatschten Eier liegen. Dann kann er sie aufschlecken, wenn wir weg sind.«
    »Die meisten Leute auf dem Land mögen keine Füchse, aber wir finden, dass er ein starkes und stolzes Tier ist«, fügte Anna hinzu und wiederholte dabei wortwörtlich das, was Rose gesagt hatte, als sie ihn wenige Wochen nach ihrem Einzug zum ersten Mal gesehen hatten.
    Die Kinder beobachteten das struppige Tier. Rose vermutete, dass er den Garten zu seinem Revier auserkoren hatte, als das Haus noch unbewohnt gewesen war. Trotz der Hühner war sie froh, dass sie ihn hatten, weil er die Kaninchen verscheuchte. Oder vielmehr: verzehrte. Über die Einzelheiten dachte sie nur ungern nach.
    »Der arme Fuchs wird vom Menschen gehasst und gejagt«, erklärte sie den Jungen. »Aber in unserem Garten findet er eine sichere Zuflucht.«
    »Weil wir ihn nämlich liebhaben.« Anna strahlte.
    Heute Nachmittag hast du dir deine Mahlzeit redlich verdient, Fuchs, dachte Rose. Die Jungen hatten ihren Streit vergessen und sahen gebannt zu, wie das Tier über den Rasen schnürte. Die Anwesenheit von Menschen schien es nicht im Geringsten zu stören.
    »Kommt, lasst uns reingehen, Abendessen machen«, sagte Rose irgendwann. »Kannst du Flossie holen und mit reinbringen, Nico?« Sie bot ihm die Aufgabe an wie ein Geschenk. Einen Vertrauensbeweis, nachdem sie ihn so hart angefasst hatte.
    Sie gingen ins Haus, und Rose gab allen Kindern eine Aufgabe bei der Zubereitung des Abendessens. Sie hatte spontan umdisponiert, und statt Lammkeule gab es nun Pastete, weil man dabei verschiedene Zutaten miteinander vermengen, Teig ausrollen und ihn mit kleinen Blättern und Buchstaben verzieren konnte. Die Zubereitung war viel komplizierter und langwieriger als die einer Lammkeule, vor allem mit einer Bande unerfahrener Souschefs, aber Rose glaubte fest an die heilenden Kräfte des Kochens.
    Nico schnitt das Lammfleisch in Würfel und befreite es vom Fett, Anna briet Zwiebeln an, und Yannis mischte mit frisch gewaschenen Fingern Mehl und Butter.
    »Puh, ist das heiß hier drinnen«, sagte Rose irgendwann und öffnete das Küchenfenster. Es stimmte, die Märzsonne hatte an diesem Nachmittag eine ungewohnte Intensität.
    Als die Pastete im Ofen war, bat sie die beiden Jüngeren, aus den Teigresten Plätzchen auszustechen,

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