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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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sie machte sich daran, ihm in die deutschen Hosen und schwedischen Fleecepullover zu helfen, die sie für ihn ausgesucht hatte.
    *
    Rose gab über dreihundert Pfund aus, fand aber, dass Jabberwocky sich sein Geld redlich verdient hatte, nicht zuletzt wegen Yannis’ Ausbruch. Die Jungs bestanden darauf, die neuen Sachen gleich anzuziehen, und so zog sie mit ihrer frisch eingekleideten Schar wie versprochen weiter zum Café.
    Eine halbe Stunde später kamen sie – zufrieden, aber schon deutlich weniger sauber – wieder heraus. Ihre Münder zierten Schnurrbärte aus Schokolade, und auf den neuen Oberteilen prangten Kakaoflecken. Berauscht von der Überdosis Zucker, hüpften und schnatterten die Kinder den ganzen Weg zurück zum Parkhaus. Yannis schien seinen Gefühlsausbruch komplett vergessen zu haben.
    Kurz bevor sie beim Parkhaus ankamen, stutzte Rose. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand Simon mit einem Glas Bier in der Hand vor einem Pub und rauchte. Er war allein, und er sah aus wie der Tod. Sie versuchte, seinen Blick aufzufangen, aber er sah nicht in ihre Richtung. Hätte sie die Kinder nicht dabeigehabt, wäre sie zu ihm gegangen. Sie hatte Simon noch nie so gesehen, und ihr drängte sich die Frage auf, was eigentlich in ihrem eigenen Haus, unter ihrer eigenen Nase vor sich ging.

15
    N a wartet!«, brüllte Gareth und schwang sein Schwert, während er im Galopp den grasbewachsenen Hügel hinunterstürmte.
    Die Kinder stoben schreiend in alle Richtungen auseinander.
    Polly und Rose, die im für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Sonnenschein faulenzten, streckten sich genüsslich und lächelten einander an.
    »Das ist es also, wozu Männer gut sind«, meinte Polly, ließ sich auf die karierte Decke sinken und kitzelte Flossie, während Rose die Picknicksachen zusammenpackte.
    »Er ist ein richtiges Spielkind«, sagte Rose und beobachtete mit zusammengekniffenen Augen, wie ihr Mann johlend zwischen den bröckelnden Burgmauern hin- und herrannte. Es war Gareths Idee gewesen, hierherzukommen. Jetzt, da er zwei Jungen zur Verfügung hatte, wollte er unbedingt ein Spiel spielen, das er und Andy als Kinder erfunden hatten und das Eroberer hieß. Die Regeln waren hochkompliziert, aber die Kinder schienen sie intuitiv begriffen zu haben. Bewaffnet mit den hölzernen Schwertern und Schilden, die Gareth am Tag zuvor gebastelt hatte, waren sie ganz in das Eröffnungsspiel vertieft.
    Gareth hatte die Burgruine auf einem seiner frühen Erkundungsspaziergänge kurz nach dem Umzug entdeckt. Irgendwann einmal hatte er Rose gestanden, dass er selbst als Erwachsener nie aufgehört habe, instinktiv jede Landschaft auf ihre Eroberer -Tauglichkeit zu prüfen. Als er zum ersten Mal die Burg gesehen hatte, war sofort klar gewesen, dass sie eine perfekte Kulisse für das Spiel abgeben würde, und seitdem hatte er nur auf eine Gelegenheit gewartet, sie endlich ihrer Bestimmung zuführen zu können. Was sie »Burg« nannten, war in Wirklichkeit die Ruine eines nicht sehr solide gebauten viktorianischen Schlösschens im pseudomittelalterlichen Stil. Es stand auf Privatgrund, daher gab es weder Sicherheitsbestimmungen noch gestrenges Aufsichtspersonal wie bei historisch wertvolleren, zum nationalen Kulturerbe gehörenden Ruinen.
    Der Besitzer, ein alternder amerikanischer Filmstar, der eher für seine tantrischen Praktiken als aufgrund seiner Schauspielkunst Berühmtheit erlangt hatte, war so gut wie nie vor Ort. Er besaß einige von Gareths Kunstwerken, und ihm gefiel die Vorstellung, dass sich deren Schöpfer samt Familie auf seinem Grund und Boden tummelte. Also hatten die Eroberer den Ort ganz für sich allein.
    Gareth hatte Yannis in seine Mannschaft gewählt, und die beiden pirschten sich gerade in der schwindelerregenden Höhe von einem Meter zwanzig auf einer Steinmauer an Anna heran.
    »Passt bloß auf!«, rief Rose ihnen zu.
    »Denen passiert schon nichts«, meinte Polly, die die beiden beobachtete.
    »Christos konnte auch so gut mit den Jungs umgehen«, sagte Rose nach einer Weile.
    »Er war ein guter Vater. Aber er ist nicht mit ihnen rumgetobt so wie Gareth. Er hatte einfach nicht die Energie für Kinder. Erwachsene haben ihn mehr interessiert. Ihm hat es Spaß gemacht, mit Kindern zu reden, aber so was hätte er nie gemacht.« Sie zeigte auf Gareth, der sich mittlerweile auf Nico gestürzt hatte und ihn kräftig durchkitzelte, während Anna ihn bei den Schultern gepackt hielt und wegzuziehen versuchte.

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