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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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überrascht damit.«
    »Wie meinst du das?«
    »Als er noch am Leben war, war ich gar nicht so scharf auf ihn. Die letzten Jahre zumindest nicht.«
    Sie hob Flossie von ihrem Bauch herunter, setzte sich auf und suchte in ihrem Beutel nach den Tabletten. Rose, die ihr Flossie abnahm, fiel auf, dass Pollys Hände wieder zu zittern angefangen hatten. Sie schaute zu, wie sich Polly vier Pillen aus drei verschiedenen Fläschchen in den Mund warf und sie mit Cava herunterspülte.
    »Das sind aber ganz schön viele Tabletten, Poll«, stellte sie fest.
    »Nur was der Arzt verschrieben hat.« Polly rasselte mit den Fläschchen. »Und wer bin ich, dass ich mich darüber hinwegsetze?«
    »Und hat es sich irgendwann gelegt?«, wollte Rose wissen.
    »Was?«
    »Die Geilheit.«
    »Nein. Es wurde so schlimm, dass ich George aus der Taverne um Hilfe bitten musste.«
    »Nein!«, rief Rose.
    »Ihm hat es nichts ausgemacht.« Polly lachte. »Hat uns beiden gutgetan. Außerdem war es ja auch nicht das erste Mal, zwischen George und mir.«
    »Gott.«
    »Ja. Gott.« Sie nahm das Gebaren und den Akzent einer schockierten griechischen Großmutter an und rang die Hände. » Chriiiistos !« Sie lachte und ließ sich zurück auf die Decke fallen. »Ach, Rose, manchmal bist du ganz schön prüde. Vergiss nicht, wir waren beide keine Engel, als er noch am Leben war.«
    Rose wusste, dass das zutraf, zumindest auf Christos. Sie war Polly gegenüber in Bezug auf das Ausmaß ihrer Gefühle für Christos nie ganz ehrlich gewesen. Teilweise hatte das mit Stolz zu tun, teilweise mit der Gewissheit, dass es die Situation für alle nur noch komplizierter gemacht hätte. Aber es hatte diesen einen Vorfall gegeben, als sie vor zwei Jahren auf Karpathos gewesen war. Sie hatten zu dritt zu einer Sondervorführung von La Dolce Vita im Freilichtkino von Pigadia gehen wollen, aber Polly hatte sich nicht wohl gefühlt, so dass Rose und Christos schließlich allein losgezogen waren. Sie hatten den Ausflug mit einer nächtlichen Motorradfahrt zum Strand ausklingen lassen, wo sie erst die Trevibrunnen-Szene nachgestellt und dann zusammen nackt gebadet hatten. Rose hatte versucht, der Sache ein Ende zu setzen, bevor das Gefühl von Déjà-vu allzu stark wurde, war aber nur teilweise erfolgreich gewesen.
    »Das war eine Art Exorzismus«, fuhr Polly fort. »Außerdem«, sie zuckte mit den Schultern, »wie du selbst gesagt hast, sieht George unverschämt gut aus.«
    Aus einer Vielzahl von Gründen fiel Rose ein Stein der Erleichterung vom Herzen, als Anna auf sie zugerannt kam.
    »Jetzt kommt schon, ihr beiden! Dad sagt, ihr müsst auch mitmachen. Er sagt, drei Kinder gegen einen Erwachsenen ist nicht fair!«
    Rose stand auf. »Ich mache mit, aber einer muss hierbleiben und auf Flossie aufpassen. Hast du was dagegen, Poll?«
    »O nein«, stöhnte Polly. »Heißt das, ich muss faul in der Sonne liegen, während ihr die Hügel rauf- und runterrennt? Na ja, ich werd’s überleben.«
    Rose lief mit Anna zusammen davon. Unterwegs bückte sie sich, um eins der herumliegenden Schwerter aufzuheben.
    Es folgten jede Menge Geschrei, wilde Sturmangriffe und dramatische Stürze den Abhang hinunter, und das Erstaunliche war, dass es über eine Stunde dauerte, bis sich jemand verletzte. Nico stolperte, als er gerade vor Anna floh, und zog sich eine Platzwunde am Knie zu. Es war nichts Ernstes, aber immerhin floss genug Blut, dass er aus Leibeskräften losbrüllte. Anna und Yannis hockten sich vor ihm hin und verzogen in einer Mischung aus Faszination und Ekel die Gesichter. Gareth lief zum Wagen, um den Erste-Hilfe-Kasten zu holen.
    Nachdem sie Nicos Tränen durch eine tröstende Umarmung zum Versiegen gebracht hatte, ging Rose mit ihm zusammen zur Decke zurück, um die Notfallration Schokolade zu suchen, die sie irgendwo in den Tiefen eines der Picknickkörbe versteckt hatte. Als sie Polly mit Flossie sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. Flossie stand, schwankend zwar, aber ohne Hilfe, zum ersten Mal in ihrem Leben auf zwei Beinen. Sie hatte gerade eben Pollys Hand losgelassen. In der anderen Hand schüttelte sie eine von Pollys Pillenflaschen.
    »Seht mal!«, rief Polly. »Freihändig!«
    Flossie, die noch nicht einmal angefangen hatte zu krabbeln, stand einen Moment lang ganz still, am Scheitelpunkt einer Wackelbewegung angekommen. Dann verlor sie das Gleichgewicht, fiel hin und kullerte den kleinen Abhang hinunter, der sich direkt hinter ihr befand.
    »Hoppsala!«, trällerte

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