Angstpartie - Thriller
Liz eilte in die Küche zurück und sah sich nach einer Waffe um. Bloß kein Messer, dachte sie. Wenn sie es mit einem stärkeren Mann zu tun bekam, konnte er es leicht gegen sie wenden. Auf dem Herd stand eine gusseiserne Bratpfanne. Sie packte das schwere Ding, ging zu der geschlossenen
Tür und öffnete sie vorsichtig. Liz kam gerade noch rechtzeitig, um einen Mann durchs Fenster hinausspringen zu sehen.
»Halt!«, schrie sie. Dabei wusste sie genau, dass er nicht stehen bleiben würde. Als sie am Fenster ankam, war der Mann bereits über die niedrige Mauer geflüchtet, die das Grundstück von der Heide trennte. Sie sah nur noch seine Schuhe: feine Slipper.
Mit klopfendem Herzen stellte sie die Bratpfanne ab und schaute sich im Zimmer um. Es handelte sich um ein kleines Büro. Im Gegensatz zu dem angestaubten Wohnzimmer wirkte das Arbeitszimmer recht akkurat. An zwei Wänden standen Regale mit ordentlich aufgereihten Büchern und neben dem Fenster ein kleiner antiker Sekretär. Auf der geschlossenen Schreibfläche befand sich ein Laptop, daneben lagen ein Digitalrekorder, nicht größer als ein Feuerzeug, ein Din-A4-Notizblock sowie vier angespitzte und sauber ausgerichtete Bleistifte, Härtegrad HB. Das Arsenal eines professionellen Schreiberlings.
Liz inspizierte den Rekorder, fand aber keine Aufnahme. Sie griff nach dem obersten Aktenordner, der schräg auf einem ansonsten ordentlichen Stapel lag. Seine Beschriftung weckte ihr Interesse. Al-Assad Interview, stand da. Notizen und Endfassung. Der Artikel, auf den die Sunday Times so gespannt wartete. Liz schlug den Ordner auf. Er war leer. Hatte der angebliche Gärtner etwas damit zu tun?
»Was zum Teufel suchen Sie hier?«
Liz zuckte zusammen und fuhr herum. Hinter ihr in der Tür stand ein Mann mittleren Alters in Jeans und einem weißen Hemd. Er war groß und schien ziemlich verärgert. War er ein Komplize des Einbrechers, den sie gerade überrascht hatte? Liz sah sich schnell um, doch die Bratpfanne befand sich außer Reichweite.
Angriff erschien ihr in diesem Fall die beste Verteidigung. Vielleicht gelang es ihr, den Mann zu verwirren und dann an ihm vorbeizukommen. »Und wer sind Sie?«, gab sie zurück.
»Mein Name ist Marcham. Und vielleicht sagen Sie mir jetzt, was zum Teufel Sie hier in meinem Haus treiben.«
15
Sophie Margolis saß am Küchentisch ihres großzügigen Hauses in Highgate und dachte über ihre Schwiegermutter nach. Hannah war gerade - ganz die stolze Großmutter - mit dem kleinen Zack auf der Heide unterwegs, weshalb sich Sophie ausnahmsweise eine kleine Auszeit gönnen konnte.
Sophie hatte Hannah immer gemocht, doch erst jetzt ging ihr auf, wie wenig sie über ihre Schwiegermutter wusste. Erst hatte Saul, Hannahs Ex-Gatte, den Ton angegeben - ein Mann, gefährlich wie eine geladene Waffe, der ständig alle Aufmerksamkeit auf sich zog und die Menschen in seinem Umkreis manipulierte. Natürlich auch David, seinen Sohn und Sophies Ehemann, dessen Sanftmut sie so anziehend fand. Am Ende hatte Hannah die Notbremse gezogen. Die Scheidung war alles andere als einvernehmlich verlaufen, jede einzelne Klausel des Vertrages war hart umkämpft worden. Hatte das bei ihrer Schwiegermutter tiefe Wunden hinterlassen? Anzumerken war ihr nichts, dachte Sophie. Hannah war von ihrem neuen Leben in Israel begeistert, erweckte geradezu den Eindruck, dass ihr Leben nun eigentlich erst begonnen hatte.
Ein Blaumeisenpaar pickte Blattläuse von den Rosen. Sophie erhob sich von ihrem Hocker, um ihnen besser zuschauen zu können und um einen fürsorglichen Blick in den Kinderwagen zu werfen, in dem das Baby schlief.
Aber irgendetwas hatte Hannah an sich - etwas, das eher rätselhaft als besorgniserregend war. In ihren ersten Tagen in London war es fast unmöglich gewesen, sie zu eigenen Unternehmungen zu ermuntern. Sie war mit Sophie und David ins Theater gegangen oder zum Dinner zu Freunden - mehr nicht. Doch inzwischen schien ein Mann im Spiel zu sein. Woher war der nur so plötzlich gekommen? Zum ersten Mal war Sophie den beiden begegnet, als sie mit dem Kinderbuggy die Highgate High Street entlangspaziert war. Zu ihrer Überraschung war ihre Schwiegermutter aus einem Café getreten, und zwar in Begleitung eines Mannes. Eines Mannes, der sicher zwanzig Jahre jünger war als sie und attraktiv noch dazu. Hannah schien die Situation keineswegs peinlich zu sein. Sie hatte Sophie ihren Begleiter sofort vorgestellt, einen Danny Kollek aus der
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