Angstpartie - Thriller
schaukelte, machte Liz′ Magen mehr zu schaffen als ein ausgewachsener Sturm.
»Sicher ist es bald so weit«, sagte Harrison zu Liz. Außer ihnen beiden war nur der Steuermann an Deck, Harrisons sechsköpfiges Team trank vom Schaukeln unbeeindruckt unten in der Kabine Tee. Der Steuermann war angespannt und hielt das Boot mit gedrosseltem Motor am Rand der Bucht. Dort dümpelten sie im Schatten der hohen Klippe, die direkt hinter ihnen aufstieg. Nur hin und wieder war die Mondsichel zwischen den Wolken zu sehen, die den Himmel wie riesige Wattebäusche bedeckten.
Liz war am Nachmittag nach Harwich gefahren und hatte sich dort mit Harrison und seinem Team getroffen. Zwar hatte sie während der Besprechung der eine oder andere neugierige Blick gestreift, doch niemand erkundigte sich nach ihrem Namen oder danach, was sie hier wollte. Vielleicht hatte die Einsatzgruppe die Anweisung bekommen, keine Fragen zu stellen - oder die Leute waren an mysteriöse Besucher gewöhnt. Harrison selbst übte sich in mustergültiger Diskretion, machte bei Sandwiches Smalltalk und entschuldigte sich dann, um letzte Vorbereitungen zu treffen. Liz überbrückte die Wartezeit, bevor sie in See stachen, mit ein paar herumliegenden, äußerst zerfledderten Ausgaben von Hello und der Sun .
»Dort drüben ist ein Boot, Sir.« Der Steuermann zeigte in Richtung der offenen See. »Es kommt in unsere Richtung.«
Liz sah ein winziges Licht draußen auf dem Wasser. Wie ein leuchtender Stecknadelkopf zeichnete es sich gegen den Horizont ab. Als der Stecknadelkopf langsam größer wurde, klopfte Harrison zweimal kräftig an die Kabinentür. Eine Minute später öffnete sie sich, und sechs Zollbeamte kamen an Deck. Liz sah, dass zwei von ihnen Heckler-&-Koch-MP5-Maschinenpistolen trugen.
Harrison warf einen Blick durchs Fernglas, dann sagte er zum Steuermann: »Los geht’s. Aber nicht zu schnell.«
Der Lichtschein befand sich nun bereits innerhalb der Bucht und Liz konnte die Konturen eines kleinen Kutters erkennen! Etwa eine Viertelmeile vom Ufer entfernt hielt er an und schaukelte auf der Dünung.
Harrison tippte Liz auf die Schulter, dann reichte er ihr den Feldstecher. »Sehen Sie mal.«
Liz spähte durch das Infrarot-Fernglas und konnte den Kutter jetzt in einem unwirklichen gräulichen Licht klar erkennen. Das Fischerboot hatte ein abgeflachtes Heck und einen Kran, mit dem man Netze aus dem Wasser hievte. Auf der Seite des kurzen Buges stand sein Name - The Dido . Liz schätzte die Länge des Bootes auf knapp vierzig Fuß. Es schien niemand auf Deck zu sein, doch vermutlich befand sich ein Steuermann in der uneinsehbaren Kabine.
Liz gab Harrison das Fernglas zurück. »Liegt ziemlich tief im Wasser, finden Sie nicht?«
Er nickte. »Die Ladung muss schwer sein. Oder umfangreich.« An seinen Steuermann gewandt sagte Harrison: »Okay. Wir fahren hin.«
Die Clacton beschleunigte. Liz spürte das Prickeln der salzigen Gischt und den kühlen Wind auf der Wange. Ihre Übelkeit wich dem wohlbekannten Gefühl gespannter Erwartung. Knapp hundert Meter von der Dido entfernt drosselte die Clacton ihre Fahrt. Auf Harrisons Kommando
durchbohrten die beiden Suchscheinwerfer am Bug urplötzlich die Dunkelheit. Wie am Set einer Filmszene beleuchteten sie den Fischkutter in der nächtlichen Umgebung.
Harrison stand bereits mit einem Lautsprecher an der Reling und rief gerade: »Hier spricht die Zollbehörde Ihrer Majestät!«, da heulte der Motor des Fischerboots auf. Es wendete scharf und knatterte in hohem Tempo Richtung offene See.
»Los!«, schrie Harrison, und auch die Clacton beschleunigte wieder. Der Bug des Zollschiffs hob sich aus dem Wasser, und Liz klammerte sich an der Reling fest. Allerdings schien sich der Abstand zwischen ihnen und dem Kutter nicht zu verringern - Liz fürchtete bereits, sie würden ihn draußen auf See aus den Augen verlieren. Doch plötzlich erschien vor ihnen ein weiteres Boot, das sich anschickte, dem Fischkutter den Weg abzuschneiden.
»Wer ist das?«
»Die gehören zu uns«, versicherte Harrison. Er lachte auf. »Es ist immer gut, noch einen Trumpf im Ärmel zu haben, falls die Schlitzohren abdrehen und versuchen zu flüchten.«
Das zweite Zollboot zwang den Kutter, die Fahrt zu verlangsamen und abzudrehen. Dadurch konnte die Clacton auf der anderen Seite an der Dido vorbeiziehen. Als das Fischerboot jedoch erneut Fahrt aufnahm, fürchtete Liz einen Augenblick lang, es könne durch die Lücke zwischen den
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