Angstschrei: Thriller
so etwas antun würde?«
» Nein.«
» Oder gab es irgendeinen Grund, warum jemand ihren Tod gewollt haben könnte?«
» Nicht, dass ich wüsste.«
» Hat Sie jemals eine Lebensversicherung erwähnt, die Palmer Milliken auf ihren Namen abgeschlossen hat?«
» Nein.«
Er stellte ihr noch ein paar Pro-Forma-Fragen. Dann, als sie beide schon auflegen wollten, sagte sie: » Ogden.«
» Was?«
» Ogden.«
» Was ist mit Ogden?« Lainie ist fuchsteufelswild zur Tür rausgestürmt. Zehn Minuten nach ihr ist Mr. Ogden runtergekommen. War er auch wütend ? Er sah aus wie immer. Wie ein reicher Weißer eben.
» Mit ihm sollten Sie über Lainie reden. Reden Sie mit Henry Ogden.«
» Hatten die beiden eine Affäre?«
Nur ein winziges Zögern und ein Seufzer, dann sagte Archer: » Reden Sie mit Ogden.«
Noch bevor er eine weitere Frage stellen konnte, hatte sie aufgelegt. Er rief nicht zurück.
McCabe ließ den Fähranleger hinter sich und bog nach rechts auf die Commercial Street ab. In einer verschneiten Januarnacht kurz nach drei Uhr waren die Straßen so leer, wie es in New York zu keiner Zeit der Fall gewesen wäre, nicht einmal während eines Blizzards. Keine Autos, keine Menschen. Sämtliche Kneipen und Hotels waren geschlossen, und auch die letzten Nachtschwärmer hatten den Old Port verlassen und waren längst zu Hause. Durch das Nachtparkverbot war nicht einmal ein abgestelltes Auto zu sehen. Nichts rührte sich, abgesehen von den Schneepflügen, die sich mit orange blinkenden Warnlichtern wie riesige Insekten auf Beutezug die Straßen entlangschabten.
Die Heizung des Crown Vic gab endlich ein bisschen Wärme ab, und er stellte das Gebläse auf höchste Stufe. Bei dem japanischen Restaurant in der India Street bog er nach links ab und dann bei der Kläranlage in der Fore Street wieder nach rechts. Vorsichtig manövrierte er den behäbigen Ford durch den Schnee und hoffte, dass die Eastern Prom bereits geräumt war und der Heckantrieb ihn tatsächlich bis nach oben auf den Hügel bringen würde.
Die Straße war gut befahrbar, und so dauerte es nur ein, zwei Minuten länger als sonst, bis er vor dem großen, weißen viktorianischen Haus auf der Hügelspitze angekommen war. Er warf einen Blick nach oben. Kyra hatte das Licht im Wohnzimmer brennen lassen, als Willkommensgruß. Heim kommt der Seemann, heim von der See, und der Jäger kommt heim von der Jagd.
Aber anstatt nach links auf den Parkplatz abzuzweigen, fuhr er weiter durch den dichter werdenden Schnee die Prom entlang bis ganz nach oben zur Congress Street, wo er links abbog. Er fuhr drei Straßenzüge weit, bog noch einmal links ab und dann noch einmal, bis er den Kreis geschlossen hatte. Dann kam er auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Haus zum Stehen.
Mit laufendem Motor saß er in der Dunkelheit und stellte sich vor, wie Kyra oben auf ihn wartete. Heute Nachmittag hatten sie sich geliebt, aber das schien nicht erst wenige Stunden, sondern Wochen her zu sein. Hier ruht er nun, das war sein Wunsch. Absolut richtig. Aber trotzdem, irgendetwas nagte an ihm.
» Haben Sie sie denn geliebt? Und lieben Sie sie immer noch?«, hatte Richard Wolfe ihn während einer ihrer Sitzungen gefragt.
Nicht auf die Art, die Sie meinen.
Auf welche denn dann?
Auf die einzige Art, auf die ich Sandy je geliebt habe.
Er brauchte Zeit und Raum, um zu verstehen, wieso er da unten am Fish Pier so heftig reagiert hatte. Wieso er Kyra mit seinem Heiratswunsch so sehr unter Druck setzte. Aber das war unmöglich, wenn sie neben ihm lag. Er wusste, dass sie aufwachen und ihn anlächeln würde, ganz egal, wie leise er ins Schlafzimmer geschlichen kam. Ganz egal, wie behutsam er sich auszog und unter die Decke schlüpfte, neben ihren warmen Körper, sie würde die Arme ausbreiten und ihn zur Begrüßung umschlingen. Sie würde ihn fragen, was beim Fish Pier und anschließend auf Harts Island los gewesen war. Er würde sie bitten weiterzuschlafen, würde versprechen, ihr morgen früh alles zu erzählen. Vielleicht würde sie das tun. Ihm ein bisschen Raum zum Nachdenken geben. Aber vielleicht auch nicht. Und wenn nicht, wenn sie sich stattdessen aufrichten und den Kopf in die Hand stützen und ihn mit diesen wundervollen, fragenden Augen anblicken und sagen würde, nein, nein, schon gut, er könne es ihr jetzt erzählen, tja, dann hätte er unter Umständen ein Problem. Weil er noch nicht bereit war, über die Gefühle zu sprechen, die Elaine Goffs Ähnlichkeit
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