Angstschrei: Thriller
einige Lainie wohl persönlich gekannt hatten? Ob sie bereit gewesen waren, etwas über ihre verstorbene Nachbarin zu sagen?
Zwei identische Glasovale, von innen mit weißer Spitze verhängt und von polierter Eiche umrahmt, zierten die Doppeltür. Er überlegte, ob er bei 1F klingeln und Barker aufwecken sollte, aber eigentlich wollte er lieber unerkannt bleiben– vorausgesetzt, er kam mit den Schlössern zurecht. Er warf einen Blick auf die Straße. Niemand in Sicht. Dann streifte er die Latexhandschuhe über und drückte die Messingklinke hinunter. Zu seiner Überraschung war die Tür nicht verschlossen. Also brauchte er auch keinen Fernsehbullen-Blödsinn zu veranstalten.
Er fand sich in einem hübschen, wenn auch leicht verwohnten Hausflur wieder. Leuchter aus Milchglas tauchten die beigefarbenen Wände in ein sanftes Licht. Der dunkle Eichenholz-Fußboden und die Treppe waren mit einem Orient-Läufer belegt, der zwar einige abgewetzte Stellen besaß, aber seine Schritte trotzdem dämpfen würde. Das Ganze wirkte so, als wäre Barker ein durchaus bemühter Hauswirt. Im Vorbeigehen sah McCabe sich selbst in einem großen Spiegel mit Goldrahmen, der am Fuß der Treppe hing. Er sah beschissen aus.
Er stieg in den ersten Stock und wandte sich dem Apartment 2F zu. Kein Vorhängeschloss vor der Tür, kein gelbes Absperrband versperrte den Zugang. Das bedeutete, dass Jacobi und seine Leute mit der kriminaltechnischen Untersuchung fertig geworden waren. Er probierte, ob die Wohnungstür vielleicht auch unabgeschlossen war. War sie nicht, aber das spielte keine große Rolle. Das Schloss war ein altes Hebelzylinderschloss. Leicht zu knacken, McCabe, mein Alter, leicht zu knacken, konnte er den beruhigenden Flüsterbariton von Dave Hennings hören. Er war damals in New York sein Partner gewesen. McCabe suchte nach den beiden Büroklammern, die irgendwo in den Tiefen seines Geldbeutels vergraben waren. Den Trick hatte er schon eine ganze Weile nicht mehr ausprobiert, und so geschickte Hände wie Hennings hatte er sowieso nie gehabt. Trotzdem war er sich ziemlich sicher, dass das Schloss keine allzu große Herausforderung darstellen würde. Er klappte die erste Büroklammer auseinander und bog das eine Ende zu einem rechten Winkel. Dann klappte er die zweite ebenfalls auseinander und formte daraus einen Kreis. Die beiden Enden des Kreises drückte er so fest wie möglich aneinander und schob ihn dann in das Schloss, wobei er konstanten Druck auf die linke Seite ausübte. Gleichzeitig führte er das gebogene Ende der ersten Büroklammer direkt oberhalb der zweiten in das Schloss. Er stocherte so lange herum, bis er den ersten Stift gefunden hatte und herunterdrücken konnte. Dann erstarrte er. Er hatte ein Geräusch gehört. War es aus dem Inneren der Wohnung gekommen? Vielleicht eine Heizung, die angesprungen war? War jemand versehentlich auf ein knarrendes Bodenbrett getreten? Schweigend stand er da und lauschte. Nichts. Er wartete noch ein paar Sekunden. Immer noch nichts. Dann machte er sich wieder an die Arbeit. Er fand auch die anderen Stifte und drückte sie, einen nach dem anderen, nach unten. Das Schloss ging auf. Mit professionellen Einbruchswerkzeugen wäre es wahrscheinlich einfacher gewesen, aber bestimmt nicht sehr viel schneller oder leiser.
McCabe steckte die Taschenlampe ein, zog seine Waffe, streckte die Hand aus und ließ den Riegel aufschnappen. Er schob die Tür auf, zählte im Stillen bis drei und betrat mit einem schnellen Schritt die Wohnung. Er schwang die Fünfundvierziger in weitem Bogen durch den Raum. Goffs Wohnzimmer lag ruhig und verlassen da. Durch die beiden großen, vorhanglosen Schiebefenster an der gegenüberliegenden Wand fiel das von den stetig fallenden Schneeflocken reflektierte Licht der Straßenlaternen ins Zimmer. Er machte die Tür hinter sich zu und schob den Riegel vor. Dann blieb er vollkommen regungslos stehen. Als Erstes musste er sichergehen, dass er wirklich alleine war.
Vor ihm standen eine weiße Couch, zwei dazu passende übergroße Liegesessel und ein gläserner Couchtisch mit Edelstahlunterbau. Alles Dinge, die praktisch identisch waren mit denen, die Sandy für ihre gemeinsame Wohnung in der West Seventy-first Street besorgt und sieben Jahre später in Peter Ingrams Haus in East Hampton geschafft hatte. Das konnte doch kein Zufall sein. Wollte Gott sich über ihn lustig machen? Erlaubte sich der Kosmos einen dummen Scherz mit ihm? Dieser Gedanke jagte ihm einen
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