Angstschrei: Thriller
mit Sandy in ihm ausgelöst hatte. Er musste erst selbst begreifen, was das alles zu bedeuten hatte.
Sein Blick wanderte hinüber zu dem Schneehügel, unter dem sich sein eigenes Auto verbarg. Ein 57er T-Bird Cabrio, ein Oldtimer, in den er und Sandy im ersten Jahr ihrer Ehe ihr gesamtes Geld gesteckt hatten. Der T-Bird war das einzige Projekt gewesen, das ihnen beiden länger als eine Minute am Herzen gelegen hatte. Einschließlich der Tochter, die sie nie wirklich gewollt hatte, und der Schwangerschaft, die sie gedroht hatte zu beenden. Er wusste noch, wie sie Wochenende für Wochenende gemeinsam an dem Wagen gearbeitet hatten, wie sie ihn in neuem Glanz hatten erstehen lassen, einem Glanz, der jedem Betrachter bewundernde Blicke und Pfiffe entlockt hatte. Ein Objekt der Schönheit und der ewigen Freude. Ein bisschen so wie Sandy. Zumindest was die Schönheit anging. Das Auto und Casey, mehr war ihm von den zehn Jahren, die er in eine gescheiterte Ehe investiert hatte, nicht geblieben. Abgesehen natürlich von der Wut und dem Verlangen, denen er manchmal in seinen Träumen begegnete. Heute Abend auf dem Fish Pier, da hatte er ein Gefühl gehabt, als sei er Kyra untreu geworden. Das machte ihn unglücklich. Er musste irgendwie damit zurechtkommen.
McCabe legte den Gang ein und pflügte sich seinen Weg auf die Straße zurück. Erneut bog er nach links ab auf die Congress Street. Aber dieses Mal fuhr er nicht im Kreis.
14
Das Gebäude in der Brackett Street 342 war ein viktorianisches Backsteinhaus mit drei Stockwerken und einem schiefergedeckten Mansardendach, in einem Wohnviertel, wo die Eleganz des West End bereits erste Anzeichen eines Wandels hin zu den kleinen Wohnhäusern, Einkaufszentren und Tankstellen trug, die in nördlicher und östlicher Richtung zum Longfellow Square hin lagen. McCabe blieb mit laufendem Motor am Straßenrand stehen und betrachtete das Haus. Ganz nett, passend für eine junge Rechtsanwältin am Anfang einer steilen Karriere, aber bestimmt nicht das, was Lainie letztendlich angestrebt hatte.
Kein anderes Auto stand auf der Straße. Das Nachtparkverbot hatte sie alle in Tiefgaragen oder auf Schulparkplätze vertrieben. Von Tascos Klinkenputzern war auch nichts zu sehen. Sie hatten das Gebiet wahrscheinlich schon längst abgegrast und waren in den benachbarten Straßen unterwegs.
Auf der Eingangsterrasse, links neben der gläsernen Haustür, konnte McCabe zwei Reihen mit insgesamt sechs kleinen, schwarzen Briefkästen ausmachen. Sechs Briefkästen. Sechs Wohnungen. Im Rückspiegel tauchten jetzt die Scheinwerfer eines Streifenwagens auf. Er fuhr vorbei, ohne langsamer zu werden. Als die Rücklichter aus seinem Blickfeld verschwunden waren, fuhr McCabe los und bog rechts um die nächste Ecke. Fünfzig Meter weiter ragte der vertraute steinerne Turm der St. Luke’s Episcopal Church in den verschneiten Himmel. Der Parkplatz hinter der Kirche war bereits geräumt worden, wahrscheinlich schon mehr als einmal. Er entdeckte eine geschützte Parklücke im Windschatten des Gebäudes und stellte den Wagen dort ab. Dann steckte er eine Taschenlampe und ein Paar Latexhandschuhe in seine Manteltasche. Er wühlte im Handschuhfach herum, konnte aber kein Einbruchswerkzeug entdecken. Shockley rümpfte zwar immer die Nase über solchen » Fernsehbullen-Blödsinn«, aber aus McCabes Sicht war das absolut sinnvoller Blödsinn. Jetzt musste er eben ohne klarkommen.
Er hüllte sich in seinen Mantel, ging zurück in die Brackett, überquerte die Straße und stieg die fünf Stufen bis zur Eingangsterrasse empor. Die Namen der Bewohner standen auf weißen Kartonstreifen, die in den dafür vorgesehenen Schlitzen an den nummerierten Briefkästen steckten. E. Goff hatte Apartment Nummer 2F bewohnt. F stand vermutlich für » Frontseite«, denn der einzige andere Buchstabe, der auf den Schildern auftauchte, war ein R. In Apartment 2R wohnte jemand namens K. Wilson. Wie Tasco schon gesagt hatte, bewohnte der Vermieter, Andrew Barker, die Wohnung 1F direkt unter Goff. A. Rosefsky und P. Donelley teilten sich 1R. S. Hanley bewohnte 3F. Und ein Paar namens Chu, N. und T., residierte in 3R. Keiner dieser Namen sagte McCabe etwas, und Tascos Leute hatten mit Sicherheit schon an jede Tür geklopft und mit allen gesprochen, die ihnen aufgemacht hatten. Trotzdem würde er sie später vielleicht noch einmal befragen. In Portland registrierten die Hausbewohner in der Regel, wenn fremde Gesichter ein- und ausgingen. Ob
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