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Angstschrei: Thriller

Angstschrei: Thriller

Titel: Angstschrei: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Hayman
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Nachttischlampe an.
    An der Wand über dem Schreibtisch hingen zahlreiche künstlerische Fotos. Er trat näher. Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Im Labor entwickelt, keine Digitaldrucke. Allesamt matt und mit identischen schwarzen Rahmen versehen. Alles in allem ein Dutzend Bilder. Zur Hälfte abstrakte Visionen einer heruntergekommenen Stadtlandschaft. Verlassene Mühlen und Fabriken. Verfallene Brücken. Verrottende Schiffsanleger. Harte schwarze Formen, die Ruin und Verfall auf schonungslose Weise veranschaulichten. Der Fotograf besaß Talent. Wer immer er war. Kein einziges Bild war signiert. Die anderen waren bis auf eine Ausnahme weibliche Akte. Erotische Bilder eines einzigen Modells, ein weißer Körper in geometrischen, athletischen Posen vor einem noch weißeren, makellosen Hintergrund. Auf jedem Foto zeichneten Licht und Schatten spielerisch zarte Muster auf die blasse Haut. Allesamt wunderschön, allesamt anonym. Auf drei Bildern fiel schwarzes Haar über das Gesicht des Modells. Auf den beiden anderen war der Kopf gar nicht im Bild.
    Bei einem Bild verharrte McCabe länger als bei den anderen. Darauf bog sich ein nackter Torso auf einem großen, schwarzen Gymnastikball liegend nach hinten. Die weißen Beine waren gespreizt, die Knie gebeugt, die Füße standen auf dem Boden. Scham, Bauch und Rippen formten eine geschmeidige Piste, die sich von der Kamera weg zu einem fernen Horizont aus Brüsten und Brustwarzen emporschwang, hinter dem sowohl der Kopf als auch die Arme aus dem Blickfeld verschwanden. Beim Betrachten des Bildes spürte er ein vertrautes Kribbeln. Odysseus, angelockt vom Gesang der Sirenen. Gelüstete es ihn nach einer toten Frau, die er gar nicht gekannt hatte? Oder nach der Exfrau, die er hasste und die er dennoch besitzen wollte? Kaum war er sich seines Verlangens bewusst geworden, wurde er von tiefer Abscheu ergriffen. Er wandte seinen Blick ab.
    Die eine Aufnahme, auf der nicht Lainies Körper zu sehen war, zeigte ihr Gesicht, eine ovale Silhouette, aus der hell erleuchtet ihre Züge hervorstachen, sich von der Tintenschwärze des Hintergrundes abhoben, fast so, als würden sie nicht dazugehören. Ihre Augen, in Wahrheit hellblau, auf dem Schwarz-Weiß-Foto jedoch grau, schienen ihn zu verfolgen, während er sich von der linken auf die rechte Seite des Bildes bewegte. Er machte seine eigenen Augen zu, wollte sich nicht von dem, was er fühlte, überwältigen lassen. Wie ein Süchtiger, der dem verführerisch dargebotenen Opiat widersteht, das ihn einst gefangen genommen hatte. Wie ein trockener Säufer in einer Bar. Nein. Er konnte nicht zurück. Er würde nicht. Ja, Elaine Goff war tot. Und Sandy in gewisser Hinsicht auch. Ihm war klar, dass er es dabei belassen musste.
    Vier Uhr. Bis zum Morgengrauen waren es noch Stunden. McCabe empfand nur noch schmerzhafte Müdigkeit und ging in die Küche zurück. Abgesehen von den Spuren der Durchsuchung war der Raum sowohl leer als auch gewöhnlich. Schränke, Vitrinen und Küchengeräte zierten die Wand zu seiner Rechten. Vor dem einzigen Fenster, zu seiner Linken, standen ein Eichentisch und zwei Stühle. Auf einer Theke über einem geöffneten und halb vollen Bosch-Geschirrspüler stapelten sich schmutzige Teller. Eine benutzte Schale mit völlig vertrocknetem, verkrustetem Inhalt sowie ein Löffel standen noch auf dem Tisch– die zwei Wochen alten Überreste eines Frühstücks. Unwahrscheinlich, dass Goff die Sachen bei ihrer Abreise nach Aruba so zurückgelassen hätte. Ein weiterer Hinweis darauf, dass sie an jenem Freitagabend gar nicht mehr nach Hause gekommen war. McCabe musterte die Kühlschranktür mit scharfem Blick. Ein Fahrplan von Concord Trailways, festgeklemmt unter einem Magneten in Gestalt von Slugger, dem Maskottchen der Portland Sea Dogs. Die Abfahrtszeit 8.30 Uhr in Richtung Logan Airport war rot umkreist. Er machte die Kühlschranktür einen Spalt weit auf, zwängte seinen Arm hinein und schraubte die Glühbirne heraus, öffnete die Tür dann ganz und leuchtete mit der Taschenlampe ins Innere. Anscheinend war Lainie eine große Freundin von Stonewall Kitchen gewesen, einem lokalen Hersteller qualitativ hochwertiger Marmeladen, Gelees und Soßen. Außerdem sah McCabe eine Schachtel mit Eiern von freilaufenden Hühnern, die dem Etikett zufolge ausschließlich vegetarisch ernährt wurden, eine halb leere Flasche Vouvray, eine Flasche fettarme Milch, die am 2. Januar abgelaufen war, sowie zwei Pappbehälter mit chinesischem Essen.

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