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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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man sagt Leuten, die man im Netz kennenlernt, seinen Nicknamen. Jemandem, den man nicht kennt, verrät man nichts. Nicht seinen richtigen Namen, nicht seine Mail-Adresse, nicht seine Telefonnummer, nicht seine richtige Adresse. Das lernen die Kids heute schon in der Grundschule. Nicht mit Fremden mitgehen, im Netz anonym bleiben. Liest du eigentlich keine Zeitung? Bist du wirklich so naiv?«
    »Sei still.«
    Ich kann ihren Vortrag echt nicht ertragen. Als hätte ich mir das selber nicht schon tausend Mal gesagt.
    »Warum hast du das dann gemacht? Warum hast du ihm gesagt, wie du heißt?«
    »Weil er nicht danach gefragt hat.«
    Sie legt den Kopf leicht schräg, guckt nur erstaunt. Wahrscheinlich überlegt sie gerade, ob ich jetzt völlig durchgeknallt bin.
    Ich versuche es ihr zu erklären.
    »Julchen, wenn er mich irgendwie angebaggert hätte oder so, dann hätte ich meinen Namen natürlich niemals verraten. Hat er aber nicht. Er hat noch nicht mal nach meiner E-Mail-Adresse gefragt. Er hat noch nicht mal ansatzweise versucht, irgendwie anders Kontakt mit mir aufzunehmen. Kein Gefasel wie ›Wir können uns ja mal im Real Life treffen‹ oder so. Dann hätte ich natürlich sofort zugemacht. Ich bin ja nicht blöd. Aber er war so anständig.«

    Anständig. Das Wort trifft es. Er war mit Abstand anständig. Ist immer ein bisschen auf Distanz geblieben. Ich hatte das Gefühl, er respektiert mich. Das hat mir so gefallen.
    »Es hat dich gestört, oder?« Julchen grinst ein bisschen.
    »Was hat mich gestört?«
    »Dass er nicht mehr von dir wollte. Dich nicht kennenlernen wollte. Noch nicht mal wissen wollte, wie du aussiehst. Das hat dich gefuchst, oder?«
    »Ja.«
    Jetzt ist es raus. Ja, es hat mir gefallen. Und ja, es hat mich auch geärgert. Ich wollte, dass er mehr wollte. Ich wollte, dass er neugierig ist auf den Menschen, mit dem er so viel geredet hat. Ich wollte, dass er wirklich mich meint. »Ich + Ich«, das bin ja nicht wirklich ich.
    »Kannst du das verstehen?«
    Julchen zieht eine Schnute. »Ein bisschen schon. Aber trotzdem war es einfach saudoof von dir.«
    »Julchen, er war einfach so dermaßen desinteressiert an mehr als chatten, da habe ich mich so sicher gefühlt. Ich dachte, wenn jemand so gar nicht versucht, mehr zu erfahren und zu erfragen, ist das okay. Und ich habe ihm ja nicht beim zweiten Chat meinen Namen verraten. Wir hatten uns schon so viel erzählt, schon so viele Stunden gequatscht, dass ich das Gefühl hatte, ich kenne ihn gut.«
    »Interessant. Wie wir nämlich gerade gemerkt haben, weißt du nichts von ihm. Du weißt nicht, auf welche Schule er geht oder ob er noch zur Schule geht. Nicht, ob er ein Hobby hat, ob er in einem Verein ist. Ob er gerne alleine ins Kino geht oder zu zweit aufs Klo. Nichts. Ich habe den Eindruck, er hat nicht ganz so viel von sich verraten wie du von dir.«
    »Das merke ich jetzt selber.«
    Sie stützt ihren Kopf auf, fängt an auf ihrem Block zu
kritzeln. Ich hocke auf dem Sessel und begutachte meine abgefressenen Fingernägel. Hatte ich Julchen eigentlich davon erzählt, dass der Kaktus und ich alleine ins Kino gegangen sind? Ich kann mich nicht erinnern …
    »Okay, ich fasse mal zusammen. Kaktus hat dich im Chat angequatscht. Dann habt ihr euch stundenlang geschrieben, wobei er so gut wie nichts von sich erzählt hat. Dann hast du ihm deinen Namen verraten. Und dann?«
    »Das war’s.«
    »Wie?«
    Ich werde ganz rot.
    »Dann war er nie mehr im Chat.«
    »Wieso nicht?«
    »Das weiß ich doch nicht.«
    »Warum schreist du mich so an?« Julchen guckt mich erstaunt an.
    Ich stehe auf. Das quält mich alles so.
    »Raffst du es wirklich nicht? Ich schreibe ihm meinen Namen. Damit kann er sich auf Freunde-VZ meine Fotos angucken. Das hat er mit Sicherheit gemacht und gedacht: ach du Scheiße! Und schwups war er weg. Hat sich nicht mehr gemeldet. Ist einfach gänzlich abgetaucht, weil er wohl den Horror hatte, von mir wieder angequatscht zu werden.«
    »Du glaubst, er fand dich hässlich und hat sich deswegen nicht mehr gemeldet?«
    »Genau. Und dann hat er sich gedacht: Die ist so hässlich, die muss bestraft werden. Und deswegen verfolgt er mich.«
    »Linda? Bist du noch ganz bei dir? Das macht keinen Sinn!«
    »Vielleicht war er auch genervt. Ich habe ihn gesucht. Wollte wissen, warum er sich nicht mehr meldet.«
    »Wie gesucht?«

    »Ich habe andere nach ihm gefragt.«
    »Stimmt, ich erinnere mich. Du meinst also, du hast ihn verfolgt, so wie er jetzt dich

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