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Angstspiel

Titel: Angstspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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tatsächlich zur Beerdigung gekommen. Neben ihr sitzt ein Mädchen, das ich schon mal irgendwo gesehen habe. Ich weiß nicht, wo. Sie kommt mir irgendwie vertraut vor. Auf der anderen Seite sitzt Philipp. Nett, dass er auch mitgekommen ist. Ich finde es schön, dass die Kirche so voll ist. Ich hätte es ganz traurig gefunden, wenn da jetzt nur meine Familie und versprengt ein paar alte Menschen gesessen hätten. Ich hätte es noch trauriger gefunden, als es ohnehin schon ist. Meine Mutter hat Tausende von Rosenblättern auf dem Boden verstreut. Auf Großvaters Sarg liegen mehrere Dutzend schwarzer Rosen. Meine Mutter hatte dafür extra weiße Rosen gekauft und sie in Wasser mit schwarzer Tinte gestellt. Ganz langsam ist die Farbe in die Blüten gezogen. Es sah aus, als würden die Blüten langsam von der Trauer ergriffen. Auf einer Staffelei steht ein Foto von meinem Opa. Im ersten Moment hat es mir die Sprache verschlagen. Mein Herz stolperte, als ich in die Kapelle kam. Meine Eltern haben ein Bild ausgesucht, wo Opa Luise und
mich auf dem Schoß hat. Eine rechts, eine links. Er lacht zwischen uns hindurch in die Kamera. Nach der Ansprache des Pfarrers steht meine Mutter auf, geht langsam nach vorne. Sie hält eine Rede an ihre Mutter. Wie froh sie ist, dass sie ihren Papa noch ein paar Jahre behalten durfte und dass sie verstehen kann, dass sie - also ihre Mutter - ihn jetzt wiederhaben wolle.
    In mir schreit alles. Nicht meine Oma hat ihn gerufen. Jemand anderes hat ihn geschickt. Ich gucke kurz über meine Schulter nach hinten, suche Julchens Blick. Philipp guckt mich an. Irgendwas wollen mir seine Augen sagen. Ich verstehe nicht, was. Weiß er etwas? Und wer ist noch mal dieses Mädchen bei ihnen? Was hat sie hier zu suchen?
    Nach der Beisetzung müssen Luise und ich mit Mama und Papa am Grab stehen bleiben. Fremde Menschen drücken mir die Hand, sprechen mir ihr Beileid aus. Das habe ich noch nie verstanden. Was ist Beileid? Ich kenne Mitleid. Aber wie leidet man bei?
    Dann gehen wir noch Kuchen essen. »Das macht man so«, hatte Mama gesagt. Ich habe das nicht verstanden. Mir war nicht nach Kuchen. Als wir am Abend nach Hause kommen, ist es still. Es ist nicht so, dass mein Opa permanent die Musik bis zum Anschlag aufgedreht hatte und man sofort gehört hätte, dass er da ist. Er war ein extrem leiser Mensch. Aber man spürte immer, er ist da. Jetzt ist das Haus so entseelt.
    Es zieht uns auseinander. Luise geht nach oben, meine Eltern machen sich in der Küche einen Kaffee, ich gehe nach unten.
    Die jüngste E-Mail hat den Titel Schwarz macht dich blass. Ich rufe sie auf und sehe in mein eigenes verzerrtes Gesicht. Das Foto ist unscharf und erst einige Stunden alt. Es zeigt mich neben dem Grab. Es zeigt mich neben Luise.
Sie guckt fast direkt in die Kamera. Ich höre ein lautes »Nein« aus meinem Mund. Ich starre Luise an.
    Natürlich war er da.
    Hatte ich einen Moment glauben können, er würde mich in dieser Situation alleine lassen? Aber warum ist Luise mit auf dem Bild? Das ist doch kein Zufall, oder? Hat er sie jetzt auch im Visier? Ich muss was unternehmen. Das würde ich nicht ertragen, wenn noch jemandem aus meiner Familie etwas zustoßen würde.
    Ganz kurz ist da der Gedanke.
    Die Idee, dass es einfach besser wäre, ich wäre weg. Ich bringe Menschen in Gefahr. Ich will das nicht. Will diese Schuld nicht. Das ist zu viel für mich. Ich lege mich ins Bett, mache mich ganz klein.
    Jetzt einschlafen und einfach nicht mehr aufwachen.
    Nie mehr.
    Ich erschrecke bei dem Wunsch. Und jetzt kann ich weinen.
    Nicht um meinen Opa.
    Ich weine um mich.

12
    M itten in der Nacht wache ich auf. Das war Lilly.
    Plötzlich weiß ich es. Das Mädchen neben Julchen in der Kapelle. Das war Lilly, ihre eigentlich beste Freundin, die gerade als Au-pair irgendwo ist. Oder war. Warum ist die wieder hier? Sollte die nicht erst nach dem Schuljahr zurückkommen? Ich weiß jetzt auch, warum sie mir so vertraut war. Julchen hat mir schon Millionen Fotos von ihr gezeigt.
    Julchen und Lilly am Strand.
    Julchen und Lilly völlig verschlafen morgens im Bett.
    Julchen und Lilly aufgebrezelt.
    Julchen und Lilly mit einem Eis in der Hand.
    Im Meer.
    In einer Cocktailbar.
    Im Swimmingpool.
    Ich habe Lilly schon in allen Situationen bewundern dürfen.
    Das müsste Julchen ja jetzt super passen. Jetzt sieht es ja gar nicht mehr nach Verrat aus, wenn sie mich fallen lässt. Jetzt ist Lilly ja wieder da. Dann ist ja wohl klar, dass sie

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