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AnidA - Trilogie (komplett)

AnidA - Trilogie (komplett)

Titel: AnidA - Trilogie (komplett) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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und morgen erfrischt weiterfliegen. Was hätte es außerdem für einen Sinn, mitten in der Nacht dort anzukommen? Wer sollte uns willkommen heißen?«, erklang ihre mahnende Stimme in Annas Kopf. Der kleine Star ließ ein wenig die Flügel hängen, sah aber ein, dass Jinqx Recht hatte.
    In der ersten Morgendämmerung brachen sie auf, auch wenn Korben sich leise krächzend beschwerte. Jinqx hatte sich nicht geirrt. Zwar hätte Anna geschworen, das Große Nest sei zum Greifen nahe, aber es dauerte noch bis zum frühen Nachmittag, bis sie den gigantischen Baum endlich erreichten.
    Anna war wie beim allerersten Anblick vor Jahren auch diesmal fasziniert von den Ausmaßen des Großen Nestes. Die Krone des Baumes, höher als jeder andere Baum dieses Waldes – und wahrscheinlich der ganzen Welt –, ragte weit über die der anderen Baumriesen hinaus, die ihn umgaben. Sein uralter, rissiger Stamm hatte den Durchmesser eines ganzen Stadtviertels, und die Wurzeln, die den Boden der Lichtung durchzogen, bildeten hohe Wälle, zwischen denen Menschen verschwinden konnten.
    Sie drehte den Kopf, um Korben anzublicken, und sah das Staunen in seinen Augen. Die Krähe stieß einen lauten Ruf aus, und Anna wandte ihr wieder die Aufmerksamkeit zu. Jinqx flog einen weiten Bogen und schien nach dem geeignetesten Platz für eine Landung zu suchen. Sie flogen recht schnell zwischen den höchsten Ästen hindurch, und Anna musste all ihre neu erworbenen Flugkünste aufwenden, um Jinqx nicht zu verlieren. Die Krähe krächzte wieder, und Anna antwortete mit einem bestätigenden Ruf. Sie erblickte eine Plattform aus Holz und Flechtwerk, die sich über den Abgrund zwischen zwei straßenbreiten Ästen erstreckte. Die Plattform war leer, aber auf dem Nebenast bewegten sich zwei kleine Gestalten in bunten Kleidern, die anscheinend auf dem Weg hinunter in das dichtere Geäst in der Nähe des Stammes waren. Als Jinqx auf der Plattform landete, blieben die beiden Grennach stehen und beobachteten stumm, wie die Krähe sich streckte und ihre Flügel ordentlich zusammenlegte. Dann landete mit einem Plumps Korben und gleich hinter ihm in Vogelgestalt die kleinere Anna.
    »Bleibt, was ihr seid und wo ihr seid«, hörten die beiden die Stimme der Krähe in ihren Köpfen flüstern. »Ich möchte so wenig Aufsehen wie möglich erregen.« Sie hüpfte auf die beiden Grennach-Frauen zu, die sie immer noch mit Misstrauen und Verwunderung musterten, und öffnete den Schnabel zu einem lauten und auffordernden Krächzen.
    Die kleinere der beiden Grennach lachte und klopfte ihre Taschen ab. »Ein zahmes Tier, wahrscheinlich sind das Botenvögel vom südlichen Bezirk«, hörte Anna sie sagen. Sie reichte der Krähe ein Stückchen Brot, das der Vogel würdevoll nahm und hinunterschluckte. Die beiden Grennach setzten ihren Weg fort, und Anna hörte, wie die größere, dunkelhaarige Grennach zu ihrer Begleiterin sagte: »Wir sollten Briddis benachrichtigen, damit sie sich um die Vögel kümmert.«
    Jinqx zwinkerte Anna und Korben zu, schüttelte sich und verwandelte sich in ihre menschliche Gestalt zurück. Die beiden folgten ihrem Beispiel und streckten erleichtert ihre Gliedmaßen, die so lange in so ungewohnter Haltung hatten verharren müssen. »Meine Hand ist eingeschlafen«, murmelte Korben und rieb das taube Glied. Anna trat mit knackenden Knien von einem Bein auf das andere und streckte sich ächzend. »Und jetzt?«, fragte sie.
    Jinqx blickte sich um. »Ich war lange nicht mehr hier.« Sie deutete auf eine hinabführende Leiter aus Seilen. »Dort entlang. Wir versuchen, eine von den Ältesten zu finden.«
    Anna erinnerte sich schnell wieder an das zunächst etwas ungewohnte Gefühl, das die Fortbewegung in einem – wenn auch gigantischen – Baum mit sich brachte. Anfangs war es beängstigend, keinen festen Boden unter sich zu haben und zu wissen, dass der Erdboden erschreckend weit unter den eigenen Füßen lag. Der Grund, auf dem sie gingen, schien sich sacht zu bewegen, obwohl das im Fall der straßenbreiten, dem Stamm näheren Äste wohl eher Einbildung war. Zu Beginn klammerte sich Anna noch an jedes Seil, jeden kleineren Ast, den sie passierten, aber mit jedem Schritt fand sie zu ihrer alten Sicherheit zurück, bis sie beinahe so leichtfüßig über die Äste lief, als wäre sie in diesem Baum geboren. Jinqx, die sie führte, bewegte sich unbekümmert und sicher wie eine Grennach, ihr fehlte nur der Schweif.
    »Rennt doch nicht so«, keuchte Korben, der

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