Animal Tropical
scheiden, und sie begann ein neues Leben. Den Pressejob hängte sie an den Nagel, kaufte diesen Hof, zog mit ihren beiden Söhnen hier heraus, begann, als freie Fotografin zu arbeiten, und ging lesbische Beziehungen ein.«
»Und hast du auch …?«
»Was?«
»Hast du auch was mit ihr gehabt?«
»Ich verstehe nicht.«
»Ob du sie auch mal vernascht hast?«
»Ich? Oh, hahaha. Nein. Wir haben uns schon seit vielen Jahren nicht gesehen. Nur am Telefon gesprochen·«
Sofort war meine Fantasie angeregt. Ich stellte mir vor, dieser Bauernhof sei ein kleines Bordell, in dem ich mich der Lust ergeben könnte. Irrtum. Margaretha ist ein Landwirt, stark, ernst, maskulin. Sie wirkt wie ein echter Mann. Die Fotografie hat sie längst aufgegeben. Sie hat eine Partnerin. Die beiden stellen Keramiken her und verkaufen Milch. Sie sind total naturverbunden und stinklangweilig. Man hat den Eindruck, dass sie nicht mal Freitagnacht Sex haben. Wir hatten ein geselliges Beisammensein bei Kräutertee und Symphoniemusik. Die drei unterhielten sich auf Schwedisch und entschuldigten sich dafür. »Ach, das macht doch nichts«, entgegnete ich ganz höflich, bekam aber zunehmend Lust, meinen Schwanz hervorzuziehen und mir einen runterzuholen, Agneta an Ort und Stelle zu vögeln, etwas zu tun, um das Ganze ein bisschen aufzumischen, damit etwas Leben in die Bude kam. Zumindest brauchte ich einen Schluck Wodka und eine Zigarre. Ich tat so, als lauschte ich Mozart, in Wirklichkeit fühlte ich mich beklommen. Da sagt Agneta plötzlich zu mir:
»Pedro Juan, Margaretha möchte dir eine ganz besondere Fotosammlung zeigen. Sie hat sechs Jahre lang als Fotografin an einem gerichtsmedizinischen Institut gearbeitet und will ein Buch herausgeben.«
»Aha, ja, schön.«
»Nicht hier. Ich möchte sie nicht sehen. Willst du wirklich?«
»Was ist dabei?«
»Es sind Tote.«
»Und warum willst du sie nicht sehen?«
»O nein. O nein, nein.«
Margaretha und ich gingen hinauf ins Studio. Sie zeigte mir ihre Archive.
»Hier sind an die vierzigtausend Fotos.«
»Deine ganze Arbeit von sechs Jahren.«
»Genau. In dieser Mappe habe ich eine Auswahl von zweihundert Fotos. Das Buch soll den Titel Der Tod haben. Nur Fotos, ohne jeden Text.«
»Ich verstehe.«
Ich nahm die Mappe und setzte mich in einen sehr bequemen Sessel. Margaretha drehte eine Lampe so, dass ich gutes Licht bekam, und setzte sich weit von mir entfernt hin. Es waren entsetzliche Fotos. Alle in Farbe. Nie zuvor hatte ich so etwas gesehen. Verweste, halb im Wald verscharrte Leichen, erhängte alte Leute mit aufgerissenen Augen, mit Beilhieben ermordete Kinder samt den Eltern, die daneben Selbstmord begangen hatten, zwei Schwule, die einander umarmt und gegenseitig in den Rücken gestochen hatten, Leichen von Leuten, die beim Verzehr von Fisch erstickt waren, ein Polizist, der seine Frau erschossen und dann sich selbst umgebracht hatte, indem er seinen Kopf immer wieder gegen die Wand schlug.
Margaretha fragte mich:
»Empfindest du Angst?«
»Ekel.«
»Das ist es, was ich will. Sag, wenn es dir reicht.«
»Ich will sie alle sehen.«
»Sie wirken hypnotisch.«
Das stimmte. Völlig hypnotisiert sah ich mir die Fotos an. Am Ende angekommen, blätterte ich noch einmal zu dem einen oder anderen zurück. Besonders gebannt war ich von einer Serie aus vier Fotos von einem Massenmord. Es war eine Orgie. Acht Leichen. Da lagen Peitschen, Lederklamotten, Dildos, Vibratoren auf einem riesigen Bett wüst durcheinander. Ein Typ hatte alles auf Video aufgenommen und plötzlich eine Pistole gezogen und alle umgebracht. Dann beging er Selbstmord. Die Angst und der Schrecken der bereits verwesten Leichen, die übereinander lagen, waren entsetzlich, wie ein Bild der Hölle. Die Polizei hatte sie erst einen Monat später gefunden. Es schien ganz unwirklich. War ekelhaft faszinierend. Gern hätte ich diese Fotos behalten. Es hätte mich erregt, vor Ort gewesen und die Fotos selbst aufgenommen und das Video viele Male gesehen zu haben.
»Wirst du das Buch publizieren, Margaretha?«
»Drei Verleger haben es gesehen. Sie wollen es nicht. Aber ich bleibe hartnäckig, glaube, es ist ein gutes Buch.«
»Ich finde es fantastisch. Viel zu brillant für diese ach so politisch korrekten Zeiten. Du wirst keinen Verleger finden.«
Wir gingen die Treppe hinunter und setzten uns alle vier ins Wohnzimmer. Jetzt brauchte ich wirklich einen Whisky und eine gute Havanna. Aber zur Verfügung standen uns nur
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