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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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tut weh. So eine Tätowierung hatte meine Großmutter. Sie erzählte mir, dass es furchtbar wehtat.«
    »Ach, Scheiße, die Alte!«
    »Als man es ihr machte, war sie nicht alt.«
    »Hmmm.«
    »Sie war fünf und ihr Bruder zehn, als er sie schnappte und ihr einen Anker in den Arm ritzte.«
    »Was für ein Bastard! Das geborene Arschloch.«
    »Ein Freund half ihm. Sie packten meine Großmutter. Da war sie natürlich noch nicht meine Großmutter. Sie packten das kleine Mädchen, banden es mit einem Strick fest und … mit einer Nadel.«
    »Ein Sadist. Lebt er noch?«
    »Weiß man nicht. Mit vierzehn haute er ab. Er sagte, er wolle als Schiffsjunge auf einem Frachter nach Amerika, um Geld zu verdienen. Sie waren arm auf dem Lande. Niemand glaubte, dass er das täte. Doch ein paar Tage später war er verschwunden, und man hörte nie mehr von ihm. Vielleicht hatte er Angehörige in Amerika.«
    »Wann war das?«
    »So um 1900 oder etwas später. Hier herrschte bittere Armut. Man wanderte nach Amerika aus.«
    »Vorsicht. Ich bin auch Sadist, genau wie dein Großonkel.«
    »O nein, bitte. Hör auf. Einmal reicht.«
    »Es wird dir gefallen. Du wirst deine masochistische Seite kennen lernen.«
    »Manchmal bist du echt ein wilder Gorilla, Pedro Juan.«
    »Wir Gorillas sind alle wild. Einige von uns sind scheinbar zahm, aber das ist nur ein Trick, um in der Stadt leben zu können.«
    »Hahaha, du verrückter Kerl!«
    »Du gefällst mir sehr, Agneta.«
    »Liebst du mich nicht?«
    »Lieben ist ziemlich schwer. Im Englischen, glaube ich, gibt es keine Nuancen. Man sagt ›I love you‹, und gut. Im Spanischen gibt es sie.«
    »Wie?«
    »›Ich mag dich‹, ›Du gefällst mir‹ ist nicht so stark wie ›Ich liebe dich‹ oder ›Ich bete dich an‹.«
    »All das? Wie eine Skala?«
    »Jedenfalls ist das so in meinem Spanisch.«
    »Dann erklärst du mir all das also, um mir zu sagen, dass du mich nicht Hebst?«
    »Die Semantik der Liebe. Ich mag dich, und du gefällst mir. So weit, so gut. Dräng mich nicht, ich brauche Zeit.«
    »Ich aber liebe dich sehr wohl. Total. Ich liebe dich.«
    »Umso besser. Von jetzt an leide ruhig. Ich komme später auf dich zurück.«
    Oft fuhren wir an den FKK-Strand. Mit tiefdunkler Sonnenbrille handelte sie wie ferngesteuert. Am Ende zieht sich Agneta ganz aus. Ich frage sie:
    »Ist es für dich inzwischen prickelnd, oder bist du immer noch angewidert?«
    »Hahaha.«
    Sie ist machiavellistisch. Wenn sie sich ausschweigt, dann deshalb, weil sie Ränke schmiedet, die sie nicht preisgeben will.
    »Ich sehe dich gerne nackt vor allen Leuten. Wir können uns sehen lassen. Wir sind ein reifes Paar, das sich bestens zum Paaren eignet.«
    »Oh, sprich nicht so, Pedro Juan.«
    »Warum, glaubst du, vögeln wir zwei-, dreimal am Tag? Weil du mich erregst, mir gefällst, jeden Tag zärtlicher wirst. All das zusammen. Und die Brüste. Was ich am liebsten an dir mag, sind die Brüste und das Schweigen.«
    »Das Schweigen?«
    »Ja.«
    »Nach einer schweigsamen Frau sehnt sich jeder Mann. Schweigsam und mit guten Titten. Der reinste Luxus!«
    »In der Schmutzigen Havanna Trilogie kommt eine Frau mit großen Brüsten vor, und hinterher gefiel sie dir nicht.«
    »Heftige Liebschaften. Die Geschichte ist wahr.«
    »Total wahr?«
    »Total. Ihre schlaffen Brüste nahmen mir die Lust, und er wurde mir nicht steif. Sie war furchtbar beleidigt und mir über zwei Jahre böse. Aber jeden Tag sahen wir uns zwangsläufig bei der Arbeit und mussten miteinander reden, und wir wurden Freunde.«
    »Ach, was hast du bloß für ein Leben. Mein Leben ist eher grau.«
    Ich schweige. Nicht die ganze Wahrheit habe ich ihr erzählt. Weil ich mich schäme. Die Wahrheit ist, dass ich mich nach der Affäre unbedingt revanchieren wollte. Aus der Unreife des tropischen Machos heraus. Heute hätte ich das alles zwei Minuten später vergessen. Aber ich blieb beharrlich, bis wir Freunde wurden. Mit Rosen und Gladiolen klopfte ich sie weich. Drei, vier Abende ging sie mit mir aus. Ein Freund lieh mir sein Auto, und genau darin rammte ich ihn ihr schließlich rein. Wohl, weil ich in der Dunkelheit der Straße ihre Titten nicht sehen konnte. Keine Ahnung, ich nehme mal an, es war dunkel. Fest steht, wir hatten öfter Sex. Ganz normal. Nichts Denkwürdiges. In der Geschichte ist das Ende gemütlich und ruhig, doch in Wirklichkeit war es eine Katastrophe. Und so war’s dann: Die Krise und der Hunger begannen Anfang der Neunziger. Sie verlor ihre

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