Animal Tropical
Panorama des Viertels um sieben Uhr morgens ist sehr ruhig. El Chino mit seinem ständig verkaterten und gierigen Gesicht tritt mit seinen festen Stiefeln hart auf, um die Zementkrusten abzulösen. Zwei, drei Typen sind mit Stäben und Nägeln zugange: Sie stützen das Gebäude ab, das vor Wochen geräumt wurde. Sie behaupten, sie wollen es reparieren. Das bezweifle ich, es erscheint mir allzu heruntergekommen. Yiye ist früh auf den Beinen: Vor ihrem Zimmer steht ein Taxi. Sie reicht dem Fahrer ein Päckchen. Gras oder Schnee. Rasch gibt der Typ Gas und verschwindet Richtung Malecón. Die zwei Nutten von der Ecke kehren von ihrer nächtlichen Tour zurück; eine Negerin und eine hellere Mulattin. Sehr jung, Ringe unter den Augen, kettenrauchend, in langen, satinglänzenden Kleidern und grauen hochhackigen Schuhen. In Plastiktüten bringen sie etwas mit: Geschenke von Ausländern. Ein Neger schöpft Wasser aus einem Brunnen mitten auf der Straße. Wieder einmal ist das Wasser aus den Rohren verschwunden. Seit sechs Tagen gelangt kein Tropfen in unser Viertel. An den Ecken Polizei. Ein Kerl mit einem Dreirad voller Blumen. Ein anderer tritt gemächlich in die Pedale seines Fahrrads. Ein schmutziger, zerlumpter alter Straßenkehrer fegt das Wasser einer stinkenden Pfütze auseinander, damit es in der Sonne trocknen kann. Die Abwasserkanäle sind dicht. Es stinkt, aber der Straßenkehrer ist in sein Wasserfegen vertieft, spielt damit ohne jede Eile wie ein Kind. Genau den Eindruck hat man: Er spielt mit der Scheiße in der Pfütze, fegt sie gemächlich hin und her, während seine Füße von dem fauligen, stinkenden Wasser durchweicht werden. Das Meer bäumt sich wild auf in der letzten Kaltfront dieses Winters, die Wind und Salpeter über die Stadt fegt. Die Wellen klatschen gegen die Mauer des Malecón, bilden weißen Schaum und benetzen die Straße und die Gebäude. Es wird Tag. Nach und nach erhellt sich die Stadt. Doch noch schlafen fast alle. Kaum etwas bewegt sich. Das Viertel ist ziemlich verwaist. Niemand arbeitet. Oder nur wenige. Sehr wenige. Da besteht kein Grund zur Eile. Die Leute wachen auf und lassen es sehr langsam angehen. Insofern bewegt sich gegen zehn Uhr morgens ein bisschen mehr. Im Moment ist alles ruhig.
Ich schlendere ein paar Häuserblocks weiter, und als ich zu Rosa, der Santera, komme, ist es halb acht. Eine einzelne Frau wartet schon auf dem Gehsteig vor der Haustür. Ich bin Zweiter. Rosa öffnet kurz darauf ihr Zimmer und begrüßt uns. Sie reinigt mit Parfüm und Basilikum. Fängt alles Böse auf, das noch vom Vortag und von der Nacht in der Luft hängt. Vor allem von der Nacht. Lüftet, trinkt einen Schluck Kaffee, zündet sich eine Zigarre an und kommt lächelnd zur Tür. Sie ist dick, klein, schwarz, weiß gekleidet, trägt bunte Halsbänder und ein blaues Kopftuch, mag um die sechzig sein, vielleicht etwas älter. Wir warten jetzt zu fünft vor ihrer Tür. Der Tabak stinkt. Muss ein Stummel sein, der übrig geblieben ist.
»Wie viele sind da? Fünf? Das reicht. Keiner mehr. Wer ist der Letzte?« Eine Frau gewissen Alters hebt die Hand, um anzudeuten, dass sie es ist.
»Tun Sie mir bitte einen Gefallen, Señora, wenn noch jemand kommt, sagen Sie ihm, er soll morgen wiederkommen. Bei Ihnen mache ich heute so gegen zwei Uhr Schluss. Dann muss ich nämlich raus nach Cojímar, um ein Haus zu säubern. Sie warten schon mit allem auf mich. Also keiner mehr. Wer ist der Erste? Sie? Kommen Sie!«
Die junge Frau trat ein. Rosas Zimmer ist klein. Sie schloss die Tür, ließ sie nur einen Spalt offen. Eineinhalb Stunden später kam sie heraus, und ich trat ein. Das Zimmer lag im Dunkeln. Nach dem blendenden Tageslicht draußen mussten meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen, und meine Nase an den Geruch aus Feuchtigkeit, Kräutern und Schmutz. In einer Ecke stand ein riesiger Altar mit allen Santos und Attributen. In einer anderen Ecke schnarchte ein Kerl auf einem verlotterten Bett, bedeckt von einem zerlumpten, schmutzigen Laken. Es schien ein Weißer zu sein. Rosa ist tiefschwarz. Der Kerl ist viel jünger als sie. Bevor sie mit mir anfing, sagte sie zu ihm:
»Cheo, wann stehst du endlich auf? Denk daran, du musst mir noch die Kräuter für die Sache in Cojímar besorgen. Los, Schätzchen, mach schon.«
»Ja, Rosa, ja. Was schimpfst du denn so, Mädchen, und lässt mich nicht schlafen?«
»Von wegen schlafen! Einen Rausch hast du noch von letzter Nacht! Du hast mal wieder nicht
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