Animal Tropical
aufhören können.«
»Bring mir ein Schlückchen Kaffee, dann stehe ich auch gleich auf. Kein Mensch kann dabei schlafen, wenn du Scheiße redest.«
Cheo hatte eine Säuferstimme. Rau wie Schmirgelpapier. Triumphierend lächelnd sah mich Rosa an und sagte:
»Entschuldigen Sie einen Moment. Wer viel erwartet, erwartet wenig, nicht wahr?«
Sie erhob sich aus ihrem Sessel. Auf einem Tisch standen ein Kerosinkocher und ein paar Küchengeräte. In einer Kanne war Kaffee. Sie schenkte einen für Cheo ein und reichte ihn ihm. Cheo streckte sich ein bisschen, setzte sich im Bett auf und trank den Kaffee. Dann erhob er sich gähnend. Er war völlig nackt. Einen Meter vor mir. Entweder sah er mich nicht, oder es war ihm egal, oder es gefiel ihm, seinen übergroßen Schwanz samt Eiern zur Schau zu stellen. Ein bisschen übertrieben für diesen knochigen, geschundenen Körper. Er musste ungefähr achtundzwanzig sein, vielleicht nicht einmal. Er wirkte unterernährt mit seinem mehrere Tage alten Bart und viel schwarzem krausem Haar. Sein ganzer Körper verströmte vermischte Gerüche von Tabak, Schnaps, Schmutz, Samen, Scheiße, verschwitzten Laken, Hunger, Müdigkeit, der Sauftour der vorausgegangenen Nacht. Fast blindlings fand er eine vor Dreck starrende Hose und zog sie an. Dann öffnete er ein schmales Türchen, das auf einen winzigen Hof von etwa zwei mal zwei Metern ging. Das Zimmer wurde ein bisschen heller. Rosa reichte ihm einen Krug Wasser. Er wusch sich das Gesicht ohne Seife, spülte sich den Mund, pinkelte auf den Boden. Er streckte sich noch etwas, kratzte sich den Bauch, gähnte und zog sich dann ein Hemd an, das ebenso schmutzig war wie die Hose. Dann suchte er unterm Bett ein Paar völlig zerschlissene Gummilatschen, zog sie an. Mit der linken Hand auf der Stirn rieb er sich die Schläfen: »Ahhh, dieser Kopfschmerz spaltet mir den Schädel …«
»Aspirin ist keines da.«
»In diesem Haus gibt es aber auch gar nichts.«
»Weder in diesem Haus noch in irgendeinem anderen. Es gibt kein Aspirin, Cheo.«
»Verflixt, nicht mal ein Aspirin gibt es in diesem Land!«
»Schscht! Sprich nicht so, Cheo. Denk daran, dass Besuch da ist und du nicht weißt, wer der Herr ist.«
Cheo machte die Augen etwas weiter auf und sah mich an. Ich sagte:
»Nein, mit mir hat er kein Problem. Außerdem sagt er nur, es gäbe kein Aspirin. Und das stimmt.«
»Ja, aber man weiß nie, woran man mit jemandem ist. Es ist besser, den Mund zu halten und der Welt ihren Lauf zu lassen.«
»Rosa, wenn du jetzt weiter Reden schwingen willst, sag es mir, dann lege ich mich wieder hin.«
»Nichts da. Los, auf, auf.«
»Also gut, dann gehe ich. Gib mir das Geld für die Kräuter. Vielleicht hörst du dann auf zu nerven.«
Rosa gab ihm ein paar Scheine und ein Stückchen Tütenpapier:
»Hier, mach die Augen auf und werde wach. Erzähl mir hinterher nicht, du hättest das Geld verloren. Hier steht, was ich brauche. Sag Gregorio, dass alles frisch sein muss. Alte und welke Kräuter nützen mir nichts, und er kriegt sie zurück. Er weiß das, macht aber immer einen auf dumm, also sag es ihm noch einmal klipp und klar. Und sperr die Augen auf!«
»Reicht das Geld?«
»Klar. Zwei, drei Pesos müssten übrig bleiben.«
»Nö, nicht zwei, drei Pesos. Gib mir fünf Pesos extra, damit ich was essen kann.«
Rosa tastete zwischen ihren Brüsten. Sie hatte einen vollen Busen. In dem Licht, das durch das Türchen zum Hof hereinfiel, konnte ich sie besser sehen. Um die Alte zu vögeln, musste man das Herz am rechten Fleck haben. Und ihr gefielen Jungchen um die zwanzig. Na ja, das Kerlchen hier war eher ein Hemd. Das Leben hatte Cheo übel mitgespielt.
Rosa fummelte immer noch zwischen ihren Titten und fand endlich einen Fünf-Pesos-Schein:
»Da, nimm. Und beeil dich. Gegen eins müssen wir nach Cojímar aufbrechen.«
»Wir? Du fährst, nicht ich.«
»Wir werden uns doch nicht vor dem Herrn streiten, Cheo. Du musst mir dabei helfen. Was sie da machen, ist ziemlich stark. Und außerdem musst du lernen. Wenn du nicht übst, wirst du dich nie entwickeln.«
»Ach, komm …«
Und er schlurfte in seinen Schlappen davon. Rosa setzte sich wieder:
»Denn er hat die Gabe! Er kriegt sie von Changó und Oggún. Aber er hat einen Toten, der sich zum Arbeiten viel zu schade ist. Der flüstert ihm alles, alles, alles ins Ohr. Klar, dass er alles ganz klar versteht. Ich wünschte, mein Toter würde in dieser Deutlichkeit zu mir sprechen. Der von Cheo gibt
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