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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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sie das Programm der Öffentlichkeit vorstellen, was dann? Ein Aufschrei der Massen? Mitnichten. Ein paar Intellektuelle würden den warnenden Zeigefinger erheben. Ein paar Bürgerinitiativen würden Sitzstreiks veranstalten, Lichterketten bilden und für den Frieden auf Erden töpfern. Das einzig Effektive aber, was man mit einer Veröffentlichung der Pläne erreichen würde, wäre eine Warnung der Terroristen und anderer durch das Programm bedrohter Randgruppen. Und deswegen werden diese Operationen geheim gehalten. Mein Gott, Marc. Du warst bei der Stadtguerilla. Du kannst so naiv gar nicht sein, sonst wärst du da nicht gelandet, oder?«
    »Vielleicht gerade deswegen«, meinte Marc bitter. »Was ihr da sagt, klingt fast nach Conrad, dem Boss der Guerilla. Ihr habt keine Ahnung, wie oft ich diese Schwanengesänge über die politische Landschaft und die Mündigkeit des Bürgers schon gehört und auch selbst angestimmt habe. Es ist schon fast komisch, dass rechte wie selbst ernannte linke Lager die gleichen Argumente benutzen, um ihre widersprüchlichen Ziele durchzusetzen. Aber vielleicht sind sie letztlich gar nicht so widersprüchlich. Es geht immer nur um Macht.«
    Marc wirkte müde. Wie ein alter Mann. Er starrte ins Leere. Katya wollte etwas entgegnen, doch ich hielt sie mit einem Blick davon ab. Schließlich räusperte sich Marc und sah uns an. »Ich habe es satt. So satt. Ich will nur weg hier. Weit weg. Aber nicht ohne Ev. Also. Was habt ihr vor?«

40. Beweismaterial
    Pete, 36, Geheimagent
    Ich quälte mich weiterhin am Computer. Mit Zugangscodes, die ich von Snyder bekommen hatte, war ich in die hintersten Ecken der Geheimdienstarchive eingedrungen, hatte Daten zusammengestellt, geordnet und ausgewertet. Langsam hatte ich die Nase voll davon. Ich gähnte, streckte meine müden Knochen und ging zur Küche, um mir neuen Kaffee zu machen. Ich hatte alle Unterlagen zusammen, die bewiesen, dass der Präsident seine Wahl nur mit dem Geld von Roseanne Parker hatte finanzieren können. Und dass Roseanne Parker nur in den Besitz der elterlichen Reichtümer durch das Ableben ihres älteren Bruders James gelangt war. Alles wie vermutet. Doch die Hauptsache fehlte: Es gab keinen Hinweis darauf, dass der Präsident in Zusammenarbeit mit Walcott bei James Parkers Tod nachgeholfen hatte. Und ohne dieses letzte Glied in der Kette war alles, was ich bisher zusammengetragen hatte, lediglich ein Haufen wertloser Datenmüll, den ich noch nicht einmal in meinem Besitz haben durfte. Wenigstens war Snyder ein klein wenig weitergekommen. Er hatte ein vertrauliches Gespräch mit dem Vizepräsidenten geführt und ihn über das neue Antiterrorpapier informiert, dessen genauen Inhalt der Präsident seinem zweiten Mann wohlweislich verschwiegen hatte. Jeder wusste, dass der Vize, der großen Rückhalt im Senat und im Abgeordnetenhaus hatte, dem Präsidenten nur in der Öffentlichkeit ein treuer Gefolgsmann war, aber seinen Vorgesetzten beruflich für inkompetent hielt und privat zum Teufel wünschte. Die Chancen standen gut, im Falle einer plötzlichen, sei es freiwilligen oder unfreiwilligen Amtsniederlegung des Präsidenten einen einigermaßen liberalen Nachfolger präsentieren zu können, der das Antiterrorprogramm gleich in den Boden stampfen würde. Snyder war überzeugt, dass man auf den Vize zählen konnte, zumindest für die Übergangszeit bis zu den Neuwahlen. Inzwischen konnte Snyder seine eigenen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung durchziehen. Die bewegten sich zwar auch nicht völlig innerhalb des legalen Rahmens, konzentrierten sich aber zumindest auf die wirklich gefährlichen Ziele, statt das halbe Land niederzuknüppeln.
    In letzter Zeit wurde mir mein Job manchmal zu kompliziert. Früher hatten mich Fragen nach dem Richtig oder Falsch kaum belästigt. Seit ich jedoch mit Lucy zusammen war, nervte mich mein Gewissen. Ich fühlte mich elend. Weil ich an dem ganzen Mist beteiligt war. Ich wollte Verantwortung dafür übernehmen, Lucy vor noch größerem Mist zu schützen. Ich hatte Marc und Ev gegenüber Verantwortung übernommen, als ich versprach, ihnen zu helfen. Und jetzt sollte ich auch noch mit verantwortlich dafür sein, den Präsidenten zu stürzen? Ich nahm meine frische Kanne Kaffee und schlurfte wieder ins Arbeitszimmer.
    Wenn alle Stricke rissen, würde Snyder das Programm an die Öffentlichkeit geben und somit die Entscheidung dem Volk überlassen. Ich hoffte allerdings ganz entschieden, dass es dazu nicht

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