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Animus

Animus

Titel: Animus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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offensichtlich schon vergessen. Er glotzte auf den ausgeschalteten Bildschirm, als könnte er in dessen Schwärze Antworten auf seine Fragen finden. Ich ging.

41. Alte Seilschaft
    Marc, 32, Aussteiger
    Unruhig betrat ich die Suite. Bei dem letzten Zusammentreffen war ich davon ausgegangen, Conrad niemals wiederzubegegnen, und diese Vorstellung war mir mehr als angenehm erschienen. Con hingegen hatte hocherfreut zurückgerufen. Vermutlich deutete er die Tatsache, dass ich ihm eine Nachricht hinterlassen und um ein Treffen gebeten hatte, völlig falsch. Ich war keineswegs gekommen, um wieder bei der Stadtguerilla einzusteigen, ging aber davon aus, dass Conrad genau das annahm. Zudem fand ich seine Anwesenheit in Washington immens irritierend. Keinesfalls glaubte ich Conrads Behauptung, nur angereist zu sein, um mich zu sehen.
    Freundlich grinsend, trat er mir entgegen. Er sah verändert aus, trug zwar noch die langen Haare zum Pferdeschwanz gebunden, doch vermittelte sein ganzes Äußeres einen ungleich gepflegteren Eindruck als früher. Sein Anzug sah teuer aus, ebenso die Uhr an seinem Handgelenk und der Brillantohrring, gegen den er seine Kreole eingetauscht hatte.
    »Hey, Alter, schön, dich zu sehen«, eröffnete Conrad die Konversation. »Nimm Platz.«
    Ich gab ihm die Hand. Er ergriff sie mit beiden Händen und schüttelte sie herzlich.
    »Du siehst verdammt gut aus, hat sich wohl mächtig was getan?« Ich setzte mich Conrad gegenüber auf den Sessel. Conrad nahm eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, zündete sie an und ließ sich von dem Guerillero, der mich an der Tür der Suite empfangen hatte, ein Tellerchen aus der Minibar als Aschenbecher bringen. Dann schickte er seinen Bodyguard mit einem herablassenden Wink vor die Tür.
    »Hat sich ein bisschen was verändert. Mehr Stil, mehr Manpower. Schade, dass du nicht mehr dabei bist«, sagte Conrad mit amüsiertem Blick, nachdem sich die Tür hinter dem Leibwächter geschlossen hatte. »Aber wenn du wieder einsteigen willst, jederzeit …«
    »Deswegen bin ich nicht hier.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    Ich war überrascht. Wir maßen uns wie bei unserer letzten Zusammenkunft mit lauernden Blicken, die sich kaum hinter der Fassade der Freundlichkeit verbergen ließen. Die frühere Vertrautheit, die aus unseren gemeinsamen Studentenjahren herrührte, hatte schon Risse bekommen bei den ersten Anschlägen, die nicht nur staatliche Einrichtungen vernichteten, sondern auch menschliches Leben. Die gegenseitige Missachtung, die an die Stelle der Vertrautheit getreten war, trugen wir jedoch beide nicht offen zur Schau.
    »Wenn du dir einmal den Traum vom bürgerlichen Leben in den Kopf gesetzt hast, dann wirst du dieses Ziel genauso vehement verfolgen wie damals den Kampf gegen das System. Koste es, was es wolle. Oder nicht?«
    »Koste es, was es wolle, war noch nie meine Devise, das weißt du genau, Con. Aber lass uns nicht davon anfangen. Ich bin hier, weil ich dir einen Vorschlag machen will.«
    »Schieß los.« Conrad gab sich herablassend gelangweilt.
    »Du wirst mich nicht aufs Kreuz legen, und du wirst, falls dich der Vorschlag nicht interessiert, keinen Nutzen aus den Informationen ziehen, die ich dir gebe. Wenn du mir das nicht versprichst, stehe ich jetzt auf und gehe.«
    »Vertrauen gegen Vertrauen. Ich habe schließlich auch dafür gesorgt, dass meine Jungs dich in Ruhe ließen, als du dich verpisst hast. Weil ich dir vertraue. Der verpfeift uns nicht, habe ich ihnen gesagt. Klar?«
    Ich nickte ohne große Überzeugung. Tatsächlich traute ich Con nicht über den Weg. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Der Plan würde nach Conrads Geschmack sein. Vielleicht würde das reichen, um ihn in der Spur zu halten.
    »Also, worum geht’s?«, fragte Con, nun deutlich ungeduldig.
    »Meine Stiefschwester, von der ich dir mal erzählt habe, ist in eine Sache reingeraten, die sich auf höchster politischer Ebene und unter großer Geheimhaltung abspielt.«
    »Was für eine Sache?«
    »Wichtig ist im Moment nur, dass ich Leute getroffen habe, die Kenntnis haben von Dingen, die sich abspielen werden.«
    »Kannst du dich nicht klar ausdrücken? Du bist doch Literaturprofessor, du Penner!«, unterbrach Con mich.
    »Das Ganze ist kompliziert.«
    »Das wird vor allem kompliziert durch deine Bemühungen beim Reden zu sortieren, was du mir sagen willst und was nicht.« Conrad blies den Rauch seiner Zigarette in die Luft.
    Ich ärgerte mich über meine unbeholfenen

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