Anita Blake 02 - Bllutroter Mond
soeben noch mein Kopf gewesen war. Ich war wieder am Boden, aber freiwillig. Er stand über mir und wirkte aus dieser Perspektive unwahrscheinlich groß. Ich lag auf der Seite, die Knie angezogen. Er griff nach mir, wollte mich offensichtlich hochziehen. Ich trat ihm in einem bestimmten Winkel mit beiden Füßen vor die Kniescheibe. Man treffe genau unterhalb oder oberhalb, und sie ist ausgerenkt.
Er schrie auf. Es hatte funktioniert. Wunderbar. Ich versuchte nicht mehr, mit ihm zu kämpfen. Nicht, ihm die Pistole abzunehmen. Ich rannte zur Tür.
Gaynor wollte mich packen, aber ich riss die Tür auf und war auf einem langen Flur, ehe er seinen schicken Stuhl manövriert hatte. Der Flur war prima bis auf eine Hand voll Türen und zwei blinde Ecken. Und Tommy.
Tommy schien überrascht zu sein. Seine Hand fuhr zum Schulterholster. Ich stieß ihn gegen die Schulter und fegte ihm mit einem Fuß die Beine weg. Er fiel rücklings und packte mich im Sturz. Ich drehte mich im Fallen und sorgte dafür, dass sich mein Knie in seine Leiste bohrte. Er lockerte seinen Griff so weit, dass ich außer Reichweite schlüpfen konnte. Von hinten kamen Geräusche aus dem Zimmer. Ich schaute mich nicht um. Wenn sie vorhatten, mich zu erschießen, dann wollte ich es nicht sehen.
Der Flur machte einen scharfen Knick. Ich hatte ihn fast erreicht, als mich Gestank in Schritt fallen ließ. Der Leichengeruch kam direkt hinter der Ecke hervor. Was war hier vorgegangen, während ich geschlafen hatte?
Ich schaute zurück zur offenen Zimmertür. Tommy lag noch auf dem Boden und krümmte sich. Bruno stand an die Wand gelehnt, die Pistole in der Hand, aber er zielte nicht auf mich. Gaynor saß in seinem Rollstuhl und lächelte.
Hier war etwas mächtig faul.
Was hier faul, sehr, sehr faul war, bog soeben um die Ecke. Es war nicht besonders groß, etwa einsachtzig. Aber es war fast einszwanzig breit. Es hatte zwei Beine, vielleicht auch drei, das war schwer zu sagen. Das Wesen hatte eine teigige Blässe wie alle Zombies, aber dieser hatte ein Dutzend Augen. Ein männliches Gesicht war mittig platziert, wo ein Hals hätte sein müssen. Die Augen dunkel und sehend und ohne jegliche gesunde Regung. Aus den Schultern wuchs ein Hundekopf. Eine faulige Hundeschnauze schnappte nach mir. Ein Frauenbein ragte aus der Körpermitte dieser Schweinerei, samt schwarzem, hochhackigem Schuh.
Das Wesen watschelte auf mich zu. Zog sich mit dreien seiner zwölf Arme vorwärts. Es hinterließ eine Spur wie eine Schlange. Um die Ecke trat Dominga Salvador. »Buenas noches, chica.«
Das Monster machte mir Angst, aber der Anblick von Dominga, wie sie mich angrinste, machte mir noch ein bisschen mehr Angst.
Das Monster hatte angehalten. Es kauerte im Gang, kniete auf seinen unpassenden Beinen, seine vielen Münder keuchten, als könnte es nicht genügend Luft bekommen.
Oder ihm gefiel nicht, wie es stank. Mir gefiel es jedenfalls nicht. Obwohl ich mir einen Arm vor Mund und Nase hielt, konnte ich von dem Gestank nicht viel abhalten.
Gaynor und seine verwundeten Leibwächter waren am Ende des Flurs geblieben. Vielleicht mochten sie Domingas kleines Sclioßtier nicht. Ich wusste, dass mir das nicht viel nützte. Jedenfalls waren wir allein. Nur sie und ich und das Monster.
»Wie sind Sie aus dem Gefängnis gekommen?« Besser zuerst die prosaischeren Dinge behandeln. Die Hirnzersetzenden konnten noch ein wenig warten. »Ich habe die Kaution hinterlegt«, antwortete sie. »So schnell, bei einem Mord, wo Hexerei im Spiel war?«
»Voodoo ist keine Hexerei«, korrigierte sie mich. »Das Gesetz sieht es aber so an, wenn es um einen Mord geht.« Sie zuckte die Achseln, dann lächelte sie selig. Sie war die mexikanische Großmutter meiner Albträume. »Sie haben einen der Richter in der Tasche«, sagte ich. »Viele Leute fürchten mich, chica. Sie sollten dazugehören.« »Sie haben Peter Burke geholfen, den Zombie für Gaynor zu erwecken.«
Sie lächelte nur.
»Warum haben Sie ihn nicht selbst erweckt?«, fragte ich. »Ich wollte nicht, dass ein skrupelloser Mann wie Gaynor mich einen Mord begehen sieht. Er hätte mich damit erpressen können.« »Und er hat nicht begriffen, dass Sie für Peter Burkes Gris-Gris jemanden umbringen mussten?« »Genau.«
»Haben Sie alle Ihre Ungeheuer hier versteckt?« »Nicht alle. Ihretwegen musste ich einen Großteil meiner Werke vernichten, aber dieses eine habe ich
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