Anita Blake 03 - Zirkus der Versammten
Fußkettchen, nicht nur weil es zum Armband passte, sondern weil ich Ersatz bei mir haben wollte, falls etwas Unvorhergesehenes geschah.
Das ist quasi ein Münzwurf, mit dem ich am allerwenigsten leben möchte. Kreuz oder Pistole. Besser, man hat beides.
»Haben Sie irgendeinen Vorschlag, wie wir die Sache angehen sollen, Anita?«, fragte Dolph.
Es war nicht allzu lange her, dass die Polizei überhaupt nicht hinzugezogen worden wäre. Die gute alte Zeit, als Vampire noch einer Hand voll pflichtbewusster Experten überlassen wurden. Als man einen Vampir einfach pfählen konnte und mit der Sache fertig war. Ich war einer dieser wenigen, Stolzen, Tapferen gewesen, der Scharfrichter.
»Wir könnten einen Kreis bilden, die Läufe nach außen gerichtet. Das würde unsere Chancen erhöhen, nicht von hinten angegriffen zu werden.« »Würden wir ihn nicht kommen hören?«, fragte der Blonde.
»Die Untoten machen kein Geräusch«, klärte ich ihn auf. Er riss die Augen auf. »War nur ein Scherz, Officer«, sagte ich. »Mann«, sagte er leise. Er klang beleidigt. Konnte man ihm wahrscheinlich nicht verübeln.
»Tut mir Leid«, entschuldigte ich mich. Dolph sah mich stirnrunzelnd an. »Ich habe gesagt, dass es mir Leid tut.« »Nicht die Neulinge aufziehen«, bat Zerbrowski. »Ich wette, das ist sein erster Vampir.«
Der schwarze Cop gab ein schnaubendes Lachen von sich. »Sein erster Tag, und jetzt Schluss damit!« »Himmel«, sagte ich. »Kann er nicht im Wagen bleiben?« » Ich kann auf mich aufpassen«, erwiderte der Blonde. »Das ist es nicht«, sagte ich, »aber gibt es nicht eine Gewerkschaftsregel gegen Vampire am ersten Tag?«
»Ich komme zurecht«, sagte er.
Ich schüttelte den Kopf. Sein allererster Tag. Er sollte irgendwo draußen den Verkehr regeln, anstatt mit den Untoten Fangen zu spielen.
»Ich mache die Spitze«, bestimmte Dolph. »Anita an meine rechte Seite.« Er zeigte mit zwei Fingern auf den Schwarzen und den Blonden. »Ihr beide links von mir.« Er zeigte auf die übrigen zwei. »Hinter Ms Blake. Zerbrowski ans Ende.«
»Mensch, danke, Sergeant«, murmelte er.
Fast hätte ich es dabei bewenden lassen, aber ich konnte nicht. »Ich bin der Einzige mit Silbermuni. Ich sollte die Spitze machen«, sagte ich.
»Sie gehören nicht zur Einheit, Anita«, erwiderte Dolph. »Das stimmt schon seit Jahren nicht mehr, und das wissen Sie.« Er bedachte mich mit einem langen Blick, dann nickte er. »Gehen Sie voran, aber wenn Sie getötet werden, bin ich geliefert.« Ich schmunzelte. »Ich versuche, daran zu denken.«
Ich trat ein Stückchen vor die anderen. Sie bildeten hinter mir einen Kreis. Zerbrowski zeigte mir einen aufwärts gerichteten Daumen. Ich musste lächeln. Dolph gab ein klares Nicken. Es war Zeit, hineinzugehen. Zeit, sich anzupirschen.
17
Die Wände waren in zwei Grüntönen gestrichen. Unten in dunklem Khaki, oben in Kotzgrün. Anstaltsgrün, so einnehmend wie ein fauler Zahn. Dicke Lüftungsrohre verliefen oberhalb der Kopfhöhe an den Wänden. Auch sie waren grün gestrichen. Sie verengten den Flur zu einem schmalen Durchgang.
Die dünneren elektrischen Leitungsrohre folgten ihnen wie ein silberner Schatten. Es ist schwierig, Elektrizität in einem Gebäude zu verlegen, das nicht dafür gebaut wurde.
Die Wände sahen klumpig aus, wo man sie überstrichen hatte, ohne die alte Farbe abzuschlagen. Wenn man hier kratzen würde, kämen nacheinander die verschiedenen Farben zum Vorschein wie Schichten bei einer archäologischen Ausgrabung. Jede Farbe hatte ihre eigene Geschichte, ihr eigenes Leidensgedächtnis.
Es war wie im Bauch eines großen Schiffes. Außer dass man statt des Dröhnens der Maschinen eine fast vollkommene Stille erlebte. An manchen Orten hängt die Stille in dicken Falten herab. Das St. Louis ist so einer.
Wäre ich abergläubisch gewesen, was ich nicht bin, hätte ich gesagt, das St. Louis sei der perfekte Platz für Geister. Es gibt verschiedene Arten Geister. Die gewöhnlichen sind die Geister von Verstorbenen, die zurückgeblieben sind, obwohl sie eigentlich in den Himmel oder die Hölle hätten gehen müssen. Die Theologen haben jahrhundertelang darüber gestritten, was die Existenz von Geistern für Gott und die Kirche bedeutet. Ich glaube nicht, dass Gott besonders davon betroffen ist, aber die Kirche.
In diesem Krankenhaus waren genügend Menschen gestorben, dass es von
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