Anita Blake 05 - Bleich Stille
bezweifelte.
»Wollen deine Begleiter nicht hereinkommen?« Ivy trat mit einem Hüftschwung zur Seite und hielt die Kerze in die Höhe, um uns zu leuchten.
Jean-Claude stellte sich auf die andere Seite der Tür, sodass wir zwischen den beiden Vampiren würden durchgehen müssen, um ins Haus zu gelangen. Jean-Claude traute ich zu, mich nicht anzukauen. Ich vertraute ihm sogar so weit, dass er Ivy von dergleichen abhalten würde. Doch es gefiel mir nicht, wie viel Spaß Jean-Claude an alldem hatte. Machte mich nervös. Ich hatte noch nie erlebt, dass Vampire ihren Spaß hatten, ohne dass es hässlich wurde.
Jason ging zwischen ihnen hindurch ins Haus. Larry sah mich an. Ich zuckte die Achseln und ging hinein. Er folgte mir auf dem Fuß, vertraute darauf, dass es in Ordnung sein würde, wenn ich es tat. Das würde es wahrscheinlich sein. Wahrscheinlich.
24
Hinter uns ging die Tür zu, und ich glaube nicht, dass sie jemand schloss, jedenfalls nicht von Hand. Ob wir sicher waren oder nicht, diese kleinen Angebereien gingen mir langsam auf die Nerven.
Die Luft im Zimmer war völlig abgestanden. Es roch staubig, trocken, ein bisschen nach Moder. Mit geschlossenen Augen hätte man gewusst, dass die Räume sehr lange Zeit leer gestanden hatten. Links gab es einen offenen Durchgang, der in ein kleineres Zimmer führte. Ich konnte ein Bett mit Decken und Kissen erkennen, das vor lauter Staub grau aussah. In einer Ecke stand ein Toilettentisch, dessen Spiegel das leere Zimmer zeigte.
Im Wohnzimmer standen keine Möbel mehr. Der Holzfußboden war staubbedeckt. Der Saum von Ivys Kleid schleifte durch die Staubschicht, während sie auf eine Tür zuging. Darunter schien ein dünner Lichtstreifen hervor, goldgelb und satter als elektrisches Licht. Ich rechnete mit einer Menge Kerzen.
Die Tür ging auf, ehe Ivy bei ihr ankam. Ein Lichtschwall flutete uns entgegen, der uns blendete, weil wir so lange im Dunkeln gewesen waren. Darin eingerahmt stand ein männlicher Vampir. Er war klein, schlank und das Gesicht zu jung, um als gut aussehend zu gelten, es war eher hübsch. Er war so frisch, dass seine Haut noch die Sonnenbräune vom Strand hatte oder von einem der anderen sonnendurchtränkten Plätze. Für einen Toten sah er schrecklich jung aus. Er musste achtzehn sein oder jünger, und das war illegal, jedenfalls sah er zart und halb fertig aus. Als Lustknabe prädestiniert.
»Ich heiße Bruce.« Er wirkte etwas verlegen. Vielleicht lag es an der Kleidung. Er trug einen hellgrauen Smoking komplett mit Schößen und anthrazitgrauem Streifen an den Hosenbeinen. Seine Handschuhe waren weiß und passten zu dem Hemd, soweit es zu sehen war. Die Weste war ölig grau. Fliege und Kummerbund hatten das gleiche Rot wie Ivys Kleid. Sie sahen aus, als gingen sie zum Schulball.
Rechts und links der Tür standen zwei mannshohe Kandelaber, die ein flackerndes goldenes Licht verbreiteten. Der Raum dahinter war zweimal so groß wie das Wohnzimmer und früher wahrscheinlich die Küche gewesen. Aber im Gegensatz zu den vorderen Räumen hatte es hier ein paar Renovierungen gegeben.
Der Perserteppich auf dem Boden war so leuchtend bunt wie ein Glasmosaik. An den längeren Wänden hingen Wandteppiche. Auf einem flüchtete ein Einhorn vor einer Jagdmeute. Auf dem anderen gab es eine Schlachtszene, die mit der Zeit so verblasst war, dass einige Figuren mit dem Stoff verschmolzen waren. Helle Seidenvorhänge mit schweren Kordeln verbargen das hintere Ende des Raumes. Links davon befand sich eine Tür.
Ivy steckte ihre Kerze in einen freien Arm des Kandelabers. Sie stellte sich vor Jean-Claude. Sie musste den Kopf zurückbeugen, um ihm in die Augen zu sehen. »Du bist schön.« Sie fuhr mit den Fingern seinen Jackettsaum entlang. »Ich habe geglaubt, dass alle lügen, dass niemand so schön sein kann.« Sie fingerte an den Perlmuttknöpfen herum, angefangen am Halsausschnitt, und arbeitete sich bis nach unten vor. Jean-Claude zog ihre Hand weg, ehe sie beim letzten Knopf ankam, wo das Hemd in der Hose verschwand.
Das schien Ivy lustig zu finden. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, lehnte sich mit Händen und Unterarmen gegen seine Brust und reckte ihm kussbereit den Mund entgegen. »Fickst du so gut, wie du aussiehst? Alle sagen es. Aber du bist dermaßen schön. Keiner kann so gut im Bett sein.«
Jean-Claude nahm ihr Gesicht in beide Hände. Er lächelte sie an.
Ihre roten Lippen
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