Anita Blake 05 - Bleich Stille
einflößend, wenn nicht schon jetzt.
Ich konnte ihr trotzdem in die Augen sehen, die abgrundtief waren und aus sich heraus leuchteten. Das würde mir mächtig was nützen, wenn sie mir die Kehle aufriss.
»Wenn du sie verletzt, ist unser Waffenstillstand beendet, Ivy.« Jean-Claude glitt die Stufen herab, bis er genau über uns stand. »Du willst nicht, dass der Waffenstillstand beendet ist, Ivy.« Er fuhr ihr mit dem Finger am Kinn entlang.
Seine Kräfte sprangen auf sie, dann auf mich über. Ich schnappte nach Luft, aber sie ließ mich los. Mein Arm war an der Seite taub, als wäre er eingeschlafen. Ich hätte keine Pistole halten können. Ich wollte fragen, was er da gemacht hatte, tat es aber nicht. Solange sich der Arm wieder gebrauchen ließ, würden wir später noch streiten können.
Bruce drängte sich zwischen uns, schwankte über Ivy wie ein besorgter Liebhaber. Wie ich sein Gesicht musterte, begriff ich, dass er genau das war. Ich wettete, sie hatte ihn herübergeholt.
Ivy stieß ihn so heftig weg, dass er rückwärts die Treppe hinunterstürzte, wo er im dichteren Dunkel verloren ging. Bei ihr schien alles eine prima Wirkung zu haben. Ich konnte kaum meine Finger spüren.
Wie ein sengender Wind fegte es über mich hinweg und in die Dunkelheit. Entlang der Mauer flammten zischend und Funken sprühend Fackeln auf. Eine große Öllampe, die von der Decke hing, füllte sich mit Feuer. Der Glaszylinder zerbarst in einem Splitterregen, sodass die Flamme nur noch am nackten Docht brannte.
»Serephina wird dich die Schweinerei aufräumen lassen«, sagte Jean-Claude. Das klang, als hätte sie ihre Milch verschüttet. Ivy ging hüftenschwingend die restlichen Stufen hinab. »Serephina ist das egal. Scherben und Feuer lassen sich für vieles gebrauchen.« Die Andeutung gefiel mir nicht.
Der Keller war schwarz. Schwarze Wände, schwarzer Boden, schwarze Decke. Es war wie in einer großen dunklen Schachtel. An den Wänden hingen Ketten, manche mit einer Art Fell an den Handschellen. Von der Decke baumelten Riemen wie eine obszöne Dekoration. Da standen ... Geräte im Raum verteilt. Einige erkannte ich. Eine Streckbank, eine Eiserne Jungfrau, aber das meiste sah nach der Ausrüstung eines Bondage-Anhängers aus. Man war ziemlich sicher, worauf es hinauslief, aber nicht, wie es funktionierte. Es gab immer mehr Löcher, als ich mir vorstellen konnte, wozu sie da waren, und immer fehlte die Bedienungsanleitung.
Im Boden gab es eine Rinne, durch die ein dünnes Rinnsal Wasser floss. Aber ich wettete, dass sie nicht nur für Wasser gedacht war.
Larry kam die Stufen zu mir herunter. »Sehe ich richtig?« »Ja, das sind Foltergeräte.« Ich zwang meine Hand zur Faust und tat es gleich noch einmal. Langsam kam wieder Gefühl hinein.
»Ich dachte, sie würden uns nichts tun«, sagte er. »Ich glaube, das soll uns Angst machen.« »Es funktioniert«, erwiderte er. Mir gefiel die Einrichtung auch nicht, aber ich konnte meine Hand wieder spüren. Ich konnte die Pistole halten, wenn ich musste.
Links öffnete sich eine Tür, die ich nicht als solche erkannt hatte. Eine Geheimtür. Darin erschien ein Vampir. Er musste sich fast zur Hälfte bücken, um unter dem Türrahmen durchzupassen. Er richtete sich auf, war unmöglich groß und dünn und sehr leichenhaft. Er hatte noch nichts gegessen und verschwendete keine Kraft aufs Hübschsein. Seine Haut hatte die Farbe von altem Pergament und klebte an den Gesichtsknochen wie ein dünner Film, der kaum für den Schädel reichte. Die Augen waren eingefallen und stumpf, hatten das tote Blau von Fischaugen. Seine kränklichen Hände waren knochig, die unmöglich langen Finger wirkten wie weiße Spinnen, die aus den schwarzen Jackenärmeln hervorguckten.
Er stelzte in den Raum, der Saum des schwarzen Mantels wehte hinter ihm wie ein Umhang. Er war ganz in Schwarz gekleidet. Nur seine Haut und die kurzen weißen Haare verrieten seine Anwesenheit. In dem schwarzen Raum sah es aus, als ob Kopf und Hände für sich alleine schwebten.
Ich schüttelte den Kopf, um den Eindruck loszuwerden. Als ich wieder hinsah, schien er ein bisschen gewöhnlicher auszusehen. »Er benutzt seine Kräfte, um erschreckend auszusehen«, sagte ich.
»Ja, ma petite, das tut er.« In seiner Stimme schwang etwas mit, das mich veranlasste, mich zu ihm umzudrehen. Sein Gesicht war die übliche schöne Maske - aber in seinen Augen sah ich, nur für
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