Anita Blake 05 - Bleich Stille
Larry hatte inzwischen die Waffe gezogen. Er zielte auf niemanden im Besonderen, wofür ich ihm dankbar war. Eine Waffe, die auf etwas gerichtet wird, hat die Tendenz, loszugehen, wenn man nicht weiß, was man tut.
»Auf den Boden, Beau, sofort. Ich werde kein drittes Mal darum bitten.« Er legte die Schrotflinte nieder. »Ich bin es, der Ihr Gehalt zahlt.« »Sie bezahlen nicht genug, dass ich mich dafür erschießen lasse.«
Stirling schnaubte erbost und machte Anstalten, das Gewehr an sich zu bringen. »Finger weg, Raymond. Sie bluten so leicht wie jeder andere.«
Er wandte sich mir zu. »Ich kann nicht glauben, dass Sie mich auf meinem eigenen Besitz mit vorgehaltener Waffe aufhalten.«
Ich senkte den Arm um eine Kleinigkeit. Man wird zittrig, wenn man die Schussposition zu lange einnimmt. »Ich finde es unglaublich, dass Sie Beau bewaffnet hergeschickt haben. Sie wussten, dass meine kleine Vorführung Bouvier herlocken würde. Sie haben es gewusst und demgemäß geplant. Sie kaltblütiger Scheißkerl.«
»Mr Kirkland, wollen Sie zulassen, dass sie so mit mir redet? Ich bin Ihr Klient.« Larry schüttelte den Kopf »In diesem Fall halte ich zu ihr, Mr Stirling. Sie wollten diesem Mann auflauern. Ihn umbringen. Warum?« »Gute Frage«, sagte ich. »Warum haben Sie solche Angst vor den Bouviers? Oder ist nur er es, den Sie fürchten?«
»Ich fürchte niemanden. Kommt, wir überlassen sie ihrem neuen Freund.« Er machte sich auf den Rückweg, und die anderen folgten ihm. Beau zögerte ein bisschen. »Ich werde Ihnen das Schrotgewehr nach unten bringen«, sagte ich. Er nickte. »Dachte ich mir.« »Und es ist besser, Sie warten da nicht mit einer anderen Waffe.«
Er sah mich eine ganze Minute lang an. Uns beide. Er schüttelte den Kopf. »Ich fahre nach Hause zu meiner Frau.« »Tun Sie das, Beau«, sagte ich.
Sein schwarzer Regenmantel schlug ihm um die Beine, als er ging. Er blieb noch einmal stehen und sagte: »Von jetzt an bin ich draußen. Vom Geld hat man wenig, wenn man tot ist.«
Ich kannte ein paar Vampire, die mit ihm darüber streiten würden, aber ich sagte: »Schön, das zu hören.« »Ich möchte nur nicht gern erschossen werden«, sagte er. Er ging den Abhang hinunter und war nicht mehr zu sehen.
Ich stand da mit meiner Browning, die himmelwärts zeigte. Ich drehte mich langsam im Kreis und schaute über die Berge. Wir waren allein, wir drei. Warum wollte ich dann die Waffe nicht wegstecken?
Magnus kam noch einen Schritt den Hang herauf und blieb stehen. Er hob die schmalen Hände in die machtgeschwängerte Luft. Er spielte mit den Fingerspitzen darin, als wäre es Wasser. Ich spürte die Kräuselwellen seiner Bewegung über meine Haut zittern, durch meine Magie beben.
Nein, ich würde die Waffe nicht wegstecken.
»Was war das?«, fragte Larry. Er hielt die Waffe noch in der Hand, aber zu Boden gerichtet.
Bouvier wandte seine leuchtenden Augen Larry zu. »Er ist kein Totenbeschwörer, Anita, aber er ist mehr, als es den Anschein hat.« »Sind wir das nicht alle«, sagte ich. »Warum wollen Sie nicht, dass ich die Toten erwecke, Magnus?«
Er sah zu mir herauf. In seinen Augen funkelten lauter Lichter wie Lichtreflexe im Schwimmbecken, nur dass es kein Licht zu reflektieren gab. »Antworten Sie mir, Magnus.« »Sonst was?«, fragte er. »Sonst erschießen Sie mich?«
»Schon möglich«, sagte ich.
Er stand noch so weit unten, dass ich auf ihn hinabblickte. »Ich habe nicht geglaubt, dass jemand Tote dieses Alters ohne Menschenopfer erwecken kann. Ich dachte, Sie würden Stirlings Geld nehmen, einen Fehlversuch machen und nach Hause gehen.« Er trat einen Schritt vor, während er mit den Händen prüfend in den Machtkreis tastete, So als wäre er nicht ganz sicher, ob er ihn betreten könnte. Die Berührung brachte Larry zum Keuchen.
»Mit solcher Macht können Sie einige erwecken, leicht ausreichend viele«, sagte Magnus. »Wofür ausreichend?«, fragte ich.
Er sah mich an, als hätte er es gar nicht laut sagen wollen. »Sie dürfen die Toten auf diesem Berg nicht erwecken, Anita, Larry. Sie dürfen es nicht.« »Nennen Sie uns den Grund«, verlangte ich.
Er lächelte zu mir herauf. »Dass ich darum bitte, reicht wohl nicht?« Ich schüttelte den Kopf. »Wohl kaum.« »Es wäre alles einfacher, wenn Glamour auf Sie wirken würde.« Er machte einen weiteren Schritt nach oben. »Allerdings wären wir dann nicht
Weitere Kostenlose Bücher