Anita Blake 05 - Bleich Stille
mal so sagen: Ich glaube nicht alles, was Freemont sagt. Wir rufen Sie an, wenn es so weit ist.«
»Danke.« »Gute Nacht, Blake.« »Gute Nacht, Bradford.« Wir legten auf. Ich saß eine Minute lang da, um das alles zu verarbeiten. Wenn sie Jean-Claude in meinem Zimmer fänden, was würden sie dann tun? Ich hatte schon erlebt, dass die Polizei einen bewusstlosen Vampir in ein, Leichentasche steckte, zur Wache brachte und auf die Dunkelheit wartete, um ihn zu befragen. Ich hatte das für eine schlechte Idee gehalten, weil der Vampir stocksauer aufwachen würde. Das tat er dann auch. Ich musste ihn am Ende umbringen. Diese eine Tötung habe ich immer bedauert. Es war ein Auslandsauftrag gewesen. Die dortige Polizei hatte mich gebeten, sie zu beraten. Sobald wir den Vampir einmal gefunden hatten, hörten sie nicht mehr auf meinen Rat. Daran musste ich jetzt denken. Damals war der Vampir auch nur zu einer Befragung geholt worden.
Ich war plötzlich erschöpft. Es war, als träfe mich die gesamte Nacht wie eine reißende Woge. Der Schlaf zerrte an mir. Ich musste mich hinlegen. Ehe ich nicht ein paar Stunden Schlaf gehabt hatte, würde ich weder Jeff Quinlan noch sonst jemandem helfen können. Und vielleicht fand ihn ja inzwischen die Bundespolizei. Es waren schon seltsamere Dinge geschehen.
Ich gab der Rezeption für zwölf einen Weckauftrag und kuschelte mich unter die Decke. Die Browning drückte unter dem Kissen. Wenigstens brauchte ich die Firestar unter dem Couchkissen nicht zu spüren. Halb wünschte ich mir, ich hätte Sigmund eingepackt, meinen Stoffpinguin, aber die Vorstellung, Jean-Claude oder Jason könnten mich schlafend damit erwischen, machte mir fast so viel aus, als versuchten sie mich zu fressen. Stolz kostet eben einiges.
21
Jemand polterte gegen die Tür. Ich öffnete die Augen und blickte in weiches, indirektes Tageslicht. Die Vorhänge waren nicht annähernd so dicht wie die im Schlafzimmer. Weshalb ich hier vorne schlief und Jean-Claude da drinnen.
Ich mühte mich in die Jeans, die ich auf dem Fußboden hatte liegen lassen, und rief: Ich komme schon.
Das Poltern hörte auf, dann klang es, als wollte man die Tür eintreten. War das das FBI-Weckkommando? Mit der Browning in der Hand ging ich zur Tür. Aus irgendeinem Grund glaubte ich nicht, dass das FBI so grob wäre. Ich stellte mich an die Seite und fragte: »Wer ist da?«
»Dorcas Bouvier.« Sie trat schon wieder gegen die Tür. »Machen Sie die verdammte Tür auf.«
Ich linste durch den Türspion. Es war Dorcas Bouvier oder ihr böser Zwilling. Sie trug keine Waffe, soweit ich sehen konnte. Ich war vermutlich sicher. Ich steckte die Browning unter das T-Shirt in den Hosenbund. Das T-Shirt war weit und hing mir bis auf die Oberschenkel. Es verbarg die Pistole und noch mehr.
Ich schloss auf und trat zur Seite. Dorcas stieß die Tür auf, dass sie hinter ihr zurückschwang. Ich drückte sie zu, schloss ab und lehnte mich dagegen, um Dorcas zu mustern.
Dorcas stolzierte ins Zimmer wie eine exotische Katze. Ihr hüftlanges braunes Haar fegte bei jeder Bewegung wie ein Vorhang hin und her. Schließlich drehte sie sich heru,n und funkelte mich mit diesen meergrünen Augen an, die ein Spiegelbild ihres Bruders waren. Die Pupillen hatten sich auf Stecknadelkopfgröße zusammengezogen, sodass die Iris schwebend und wie blind aussah.
»Wo ist er?« »Wo ist wer?«, fragte ich.
Sie sah mich böse an und ging zur Schlafzimmertür. Ich konnte ihr nicht mehr zuvorkommen, wollte sie aber auch noch nicht erschießen.
Bis ich hinter ihr ankam, war sie schon zwei Schritte weit im Schlafzimmer, starrte mit steifem Rücken auf das Bett. Das Starren war vollkommen begreiflich.
Jean-Claude lag auf dem Rücken, die weinroten Laken bis zur Brust hochgezogen. Eine Schulter und ein bleicher Arm schauten hervor. In dem Halbdunkel war sein Haar auf dem Kissen kaum auszumachen, das Gesicht erschien dafür umso weißer, geradezu ätherisch.
Jason lag auf dem Bauch. Vom Laken bedeckt war nur ein Bein und das Gesäß, aber knapp. Falls er etwas anhatte, so war es nicht zu erkennen. Er stützte sich auf die Ellbogen und drehte sich zu uns um. Seine blonden Haare fielen ihm ins Gesicht, und er blinzelte, als erwache er aus dem Tiefschlaf. Als er Dorcas Bouvier sah, lächelte er.
»Das ist nicht Magnus«, sagte sie. »Richtig«, sagte ich, »das ist er nicht. Möchten Sie draußen weiterreden?«
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