Anita Blake 06 - Tanz der Toten
und Weiß herab, dic drei Wände bildeten. Die vierte Wand war aus weiß getünchtem Mauerwerk. Ein Kamin aus weißem Stein sah historisch aus, war er aber nicht, wie ich wusste. Die Einfassung war aus schwarz-weißem Marmor. Ein silberner Schirm verbarg die Feuerstelle. Es standen vier Sessel in Schwarz und Silber gruppiert um einen Tisch aus Holz und Glas. Darauf stand eine schwarze Vase mit weißen Tulpen. Meine Absätze versanken in dickem schwarzen Teppichboden.
Es gab noch eine Neuerung in dem Raum, vor der ich wie angewurzelt stehen blieb. Über dem Kamin hing ein Gemälde. Drei Menschen in der Kleidung des 17. Jahrhunderts. Die Frau trug ein weiß-silbernes Kleid mit eckigem Mieder und einer Winzigkeit Dekolleté, die braune,' Haare waren in sorgfältige Ringellöckchen gelegt. In der Hand hielt sie locker eine rote Rose. Hinter ihr stand ein großer, schlanker Mann mit dunkelgoldenen Haaren, die in Ringellocken über die Schultern fielen. Er trug eine" Schnurrbart und einen Van-Dyck-Bart, beide von einem tiefen Goldblond, das an Braun grenzte. Er trug einen dieser weichen Hüte mit Federn und war in Weiß und Gold gekleidet. Doch es war der andere Mann, dessentwegen ich auf das Gemälde zuging.
Er saß hinter der Frau. Er war in schwarz-silbernen Brokat mit einem breiten Spitzenkragen und Spitzenmanschetten gekleidet. Er hielt einen weichen Hut mit einer einzelnen weißen Feder und silberner Schnalle im Schoß. Auch seine Haare fielen in kleinen Locken über die Schultern herab. Er war glatt rasiert, und dem Maler war es gelungen, das abgrundtiefe Blau seiner Augen wiederzugeben.
Ich starrte in Jean-Claudes Gesicht, wie es Jahrhunderte vor meiner Geburt gemalt worden war. Die anderen bei den lächelten. Er war ernst und vollkommen, gegen ihre Heiterkeit wirkte er finster. Er war wie der Schatten des Todes, der zum Ball gekommen war.
Ich wusste, dass Jean-Claude ein paar hundert Jahre alt war, aber es war mir noch nie so offensichtlich, so schroff vor Augen geführt worden. Das Porträt störte mich noch aus einem anderen Grund. Ich musste mich fragen, ob Jean-Claude mich über sein Alter belogen hatte.
Ein Geräusch ließ mich herumfahren. Jason hatte sich in einen Sessel fallen lassen. Hinter mir stand Jean-Claude. Er hatte sich die Jacke ausgezogen, und seine schwarzen Locken flossen über die Schultern auf das karmesinrote Hemd. Die Manschetten waren lang und eng, gehalten von drei antiken Jettperlen genau wie der hohe Kragen. Ohne die optische Ablenkung der Jacke leuchtete einem das bleiche Oval seiner Haut aus dem roten Stoffrahmen entgegen. Das Hemd bedeckte die Brustwarzen, aber der Bauchnabel war frei und zog den Blick zum Bund der schwarzen Hose. Oder vielleicht auch nur meinen Blick. Es war eine schlechte Idee, hierherzukommen.
Er war genauso gefährlich wie der angeheuerte Mörder, vielleicht noch gefährlicher. Aber auf eine unbeschreibliche Art.
Er glitt in seinen schwarzen Stiefeln auf mich zu. Ich sah ihm dabei zu, wie ein Reh im Scheinwerferlicht den Wagen anglotzt. Ich glaubte, er würde zu flirten anfangen oder mich fragen, wie mir das Gemälde gefiel. Stattdessen sagte er: »Erzähle mir von Robert. Die Polizei behauptet, dass er tot ist, aber sie wissen gar nichts. Du hast ihn gesehen. Ist er wirklich tot?«
Seine Stimme war belegt vor Sorge, vor Kummer. Das kam für mich völlig überraschend. »Sie haben das Herz genommen.« »Wenn es nur ein Pflock im Herzen ist, könnte er überleben, wenn er entfernt wird.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es wurde komplett entfernt. Wir haben es weder im Haus noch im Garten gefunden.«
Jean-Claude blieb stehen. Plötzlich ließ er sich in einen Sessel fallen und starrte ins Leere oder auf etwas, das ich nicht sehen konnte. »Dann ist er wahrhaftig tot.« Seine Stimme bebte vor Gram, wie sie manchmal vor Lachen bebte, und ich spürte die Worte wie einen kalten grauen Regen.
»Du hast Robert wie Dreck behandelt. Was soll das Weinen und Wehklagen?« Er sah mich an. »Ich weine nicht.« »Aber du hast ihn schlecht behandelt.«
»Ich war sein Meister. Hätte ich ihn freundlich behandelt, er hätte das als Zeichen der Schwäche gewertet. EI' hätte mich herausgefordert, und ich hätte ihn getötet. Kritisiere nicht Dinge, von denen du nichts verstehst.« Das Letzte kam mit so viel Ärger, dass mir die Hitze über die Haut strömte.
Normalerweise hätte mich das sauer gemacht, aber heute
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