Anita Blake 06 - Tanz der Toten
sagte Sylvie. »Ich werde meinen Platz nicht für sie aufgeben. Nichts gegen dich, Anita, du kannst nichts dafür.« Sie klang sachlich, nicht feindselig, aber der Blick, den Richard abbekam, war nicht besonders freundlich.
»Ich nehme es dir nicht übel«, erwiderte ich. Ich war nicht sicher, ob ich überhaupt zwischen den Lykanthropen auf der Couch sitzen wollte. Selbst angenommen, sie waren freundlich gesinnt. Jeder im Zimmer war stärker und schneller als ich, Tatsache. Der einzige Beistand, den ich hatte, war die Pistole. Wenn ich direkt neben ihnen saß, würde ich niemals rechtzeitig ziehen können.
»Ich möchte, dass meine Freundin neben mir sitzt, Sylvie, mehr nicht«, erklärte Richard. »Das soll keine Herausforderung an deinen Platz unter den Lukoi sein.« Er sprach geduldig wie mit einem Kind.
»Was hast du gesagt?«, fragte Sylvie. Sie war fassungslos. »Wir sind die Lukoi. Anita weiß das.« »Du hast ihr unsere Namen verraten?«, fragte Neal ganz heiser vor Empörung.
Ich wollte sagen, es seien doch nur Worte, ließ es dabeibleiben. Wer sagt, dass ich nicht auch mal klüger werde? »Es gab mal eine Zeit, wo ein Geheimnisverrat dich das Leben kosten konnte«, sagte Sylvie. »Nicht einmal Marcus ist noch dafür.«
»Wie viele unserer Geheimnisse weißt du, Mensch?« Ich zuckte die Achseln. »Ein paar Ausdrücke, mehr nicht.«
»Du willst, dass deine menschliche Freundin sich an dich schmiegt, ist es das, Richard?«, fragte sie und sah mich dabei an.
Ich persönlich mochte es nicht, wie sie »menschlich« gesagt hatte.
Sylvie saß mit untergezogenen Beinen auf dem Sofa und sah mich an. »Komm, Mensch, setz dich zu uns.« Ich musterte sie. »Woher die Sinnesänderung?« »Nicht alles hat mit der Hierarchie im Rudel zu tun. Das sagt uns Richard immer wieder. Setz dich zu deinem Liebsten. Ich rutsche rüber.« Sie tat es und machte es sich bei Rafael gemütlich.
Der Rattenkönig sah mich an. Er zog eine Augenbraue hoch, das war fast wie ein Schulterzucken. Ich traute Sylvie nicht, aber Rafael, und ich traute Richard, zumindest hier und jetzt. Mir wurde klar, dass ich Rafael in der vorigen Nacht getraut hätte. Er hätte Richards moralische Skrupel nicht gehabt. Der arme Richard war wie der einsame Rufer in der Wüste. Und ich hielt mit den Heiden, Gott steh mir bei.
Louie und Stephen saßen auf dem Boden in meiner Nähe. Ich war unter Freunden. Selbst Jason, der zu mir herauf grinste, würde nicht zulassen, dass mir einer etwas tat. Jason war Jean-Claudes gehorsamer Wolf, genau wie Stephen. Wenn sie mich sterben lassen würden, würden sie auch nicht mehr viel länger leben. »Anita?«, sagte Richard.
Ich seufzte und verließ meinen Wandplatz. Ich war unter Freunden. Warum waren dann meine Rückenmuskeln so verhärtet, dass das Gehen weh tat? Paranoid? Wer, ich?
Ich ging um die Couch herum, mit der Kaffeetasse in der linken Hand. Sylvie klopfte auf den freien Platz undlächelte, aber nicht ganz echt. Ich setzte mich zu Richard. Er schob den Arm um meine Schultern. Mein rechter Arm steckte mir gegen den Strich zu fest allerdings. Er wusste, ging, wenn ich die Schusshand nicht frei hatte.
Doch ich lehnte mich warme seinen warmen Körper und entspannte mich. Die Verspannung in meinen Schultern löste sich. Ich trank einen Schluck Kaffee. Wir waren alle schrecklich zivilisiert.
Richard kam mit den Lippen an meine Wange und flüsterte: »Danke.« Dieses Wort brachte ihm einige Extrapunkte ein. Er wusste, was es mich gekostet hatte, mich zwischen Ratten und Raubkatzen zu setzen. Hätte ich es nicht getan, hätte ich ihn vor dem Rudel und den anderen Anführern geschwächt. Ich war nicht hier, um die Lage zu verschlimmern.
»Wer hat dich heute Nacht gerettet, Stephen? , fragte Sylvie. Ihre Stimme war süß, das Gesicht freundlich. ich traute ihr kein bisschen.
Alle Augen richteten sich auf Stephen. Er drückte sich an den Boden, als könnte er unsichtbar werden, aber es klappte nicht. Er starrte Richard mit großen Augen an. »Mach nur, Stephen, sag die Wahrheit. Ich werde nicht wütend.« Stephen schluckte. »Anita hat mich gerettet.«
»Richard hat mit zwanzig Lykanthropen gleichzeitig gekämpft«, sagte ich. »Er hat mir befohlen, Stephen zu holen, also habe ich es getan.«
Neal schnüffelte an Stephen, wanderte mit der Nase über dessen Gesicht und Hals bis über die Schultern. Nicht gerade eine menschliche Geste, die
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