Anita Blake 06 - Tanz der Toten
ich.
Sie hielt mit jeder Bewegung inne. »Für die Verwandlung in eine von uns? Für den Verlust von Richards Liebe, nachdem er dich als pelziges Monster gesehen hat?« Ich sprach sehr leise und sehr deutlich. »Du verabscheust, was du bist, Sylvie.«
Sie klemmte mir für eine Sekunde die Luft ab. »Ich verabscheue nicht, was ich bin. Ich akzeptiere es.« Sie lockerte ihren Griff.
Zitternd holte ich Luft und machte noch einen Versuch. »Ich habe dein Gesicht gesehen, als ich sagte, dass du neidisch bist. Du bist neidisch auf mich, weil ich ein Mensch bin, Sylvie. Du weißt es.«
Sie hielt die andere Hand hoch, verschaffte mir einen guten Blick auf die langen, dünnen Krallen. Die Krallen der Hand an meiner Kehle ragten bis in meine Haare.
»Du weißt, dass Raina uns verboten hat, dich zu einer der Lukoi zu machen. Sie hat Angst, dass du ein besseres Miststück wärst als sie.«
»Wie schmeichelhaft«, krächzte ich. Zwischen den Rücken der Werwölfe hindurch schaute ich nach Richard. Seine Augen waren bernsteingelb und fremd geworden. Mir war klar, dass er Sylvie nicht einmal jetzt töten würde. Selbst wenn sie mich ritzte, mich infizierte, würde er sie nicht töten. Das stand in der Qual auf seinem Gesicht geschrieben. Verwirrung hatte die Angst ersetzt.
Vielleicht sah Sylvie das. Vielleicht hatte sie gewonnen. Jedenfalls ging sie von mir runter und stand vorsichtig auf. Ich kroch hastig auf allen vieren weg. Das war nicht hübsch, nicht professionell, aber zweckmäßig. Ich kroch bis zur gegenüberliegenden Wand, so weit wie möglich von allen weg. Da blieb ich angelehnt sitzen.
Die Werwölfe hatten sich zurückgezogen. Sylvie und Richard standen einander gegenüber. Sylvies Augen hatten ein fremdes, feucht schimmerndes Grau angenommen. Wolfsaugen.
Richard schleuderte seine Kräfte. Sie fraßen sich meine Haut entlang, entrissen mir ein Keuchen.
Sylvie stand in diesem Machtstrom und zuckte nicht mit der Wimper. »Deine Macht ist beeindruckend, Richard, aber sie bedeutet gar nichts, solange Marcus am Leben ist.«
Er schlug sie mit dem Handrücken in einer huschenden Bewegung, der ich kaum folgen konnte. Sylvie krachte gegen die Wand und rutschte betäubt zu Boden.
»Ich bin Anführer«, brüllte Richard und hob die Krallenhände zum Himmel. Er fiel auf die Knie, und ich ging nicht hin, um ihm zu helfen. Ich blieb an der Wand hocken und wünschte, ich hätte eine zweite Pistole bei mir.
Richard kauerte sich zusammen und wiegte sich hin und her. Er umschlang seine Knie, rollte sich ein, und ich fühlte, wie er die Macht in sich hineinzog, fühlte sie restlos schwinden. Noch lange, nachdem die Kräfte aus dem Zimmer verschwunden waren, blieb er auf dem Boden hocken, mit gesenktem Kopf, das Gesicht in den Haaren verborgen.
Sylvie richtete sich auf und kroch zu ihm, kauerte sich neben ihn, strich ihm die Haare hinters Ohr. »Wir würden dir überallhin folgen, wenn du für uns töten würdest. Sie würde für uns töten. Wenn deine Gefährtin, deine Lupa das tut, würde uns das genügen.«
Richard hob zitternd den Kopf. »Niemand wird gegen seinen Willen infiziert, so lautet mein Versprechen und mein Befehl.« Er erhob sich auf die Knie.
Sylvie blieb niedergeduckt, mit dem Gesicht nah am Boden, ein Zeichen der Demut. »Aber du willst nicht töten, um dem Geltung zu verschaffen.«
»Ich werde töten, um Anita zu beschützen«, sagte Rafael. Alle drehten sich zu ihm. Er begegnete den Blicken, ohne den Kopf einzuziehen. »Wenn sie jemand gegen ihren Willen anrührt, werden ich und die meinen ihn zur Strecke bringen.« »Rafael«, sagte Richard, »tu das nicht.«
»Du bringst einen Menschen unter uns, aber du beschützt ihn nicht. Jemand muss es tun.«
Ich wollte einwenden, ich könne mich selbst schützen, aber das war nicht wahr. Ich war gut, aber ich war nur ein Mensch. Das war nicht genug. »Ich kann dir nicht meine Arbeit aufhalsen«, erwiderte Richard. »Ich bin dein Freund, Richard«, sagte Rafael. »Es macht mir nichts aus.«
Sylvie drückte sich vor Richard an den Boden. »Willst du den Rattenkönig einen deines Rudels töten lassen? Ist er jetzt unser Anführer?«
Er blickte zu ihr hinab, und in seinem Gesicht passierte etwas, nichts Fremdartiges, Wölfisches, sondern da zeigte sich Härte, fast so etwas wie Trauer. Ich sah es, und es gefiel mir nicht. Wenn ich jetzt meine Pistole gehabt hätte, vielleicht
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