Anita Blake 06 - Tanz der Toten
Palastrevolte aufführen?«, fragte ich. »Da gibt es Mittel.«
»Ihnen zum Beispiel mit dem Totenbeschwörer zu drohen«, schloss ich. Er lächelte. »In der Tat.« »Das wird dir nicht jeder abnehmen.« »Ich zum Beispiel nicht«, sagte jemand.
15
Ich drehte mich um und sah einen weiteren Vampir, den ich nicht kannte. Er war groß und schlank, und seine Haut war weiß wie ein Bettlaken. Aber Bettlaken haben keine Muskeln, die sich darunter bewegen, und sie gleiten keine Treppen herab und schreiten nicht durch den Raum wie ein junger Gott. Seine Haare fielen bis über die Schultern und waren von einem dunklen Rot, fast blutrot. Bei seiner Blässe tat die Farbe in den Augen weh. Er trug einen schwarzen Gehrock, wie aus siebzehnhundertirgendwas, aber darunter schimmerte seine schlanke nackte Brust. Der schwere Stoff war überall bestickt, in einem leuchtenden Grün, das zu seinen Augen passte. Grün wie Katzenaugen, grün wie Smaragd. Ansonsten trug er grüne eng anliegende Gymnastikhosen, die nichts der Fantasie überließen. Um die Taille trug er eine schwarze Schärpe mit grünen Fransen, dazu kniehohe schwarze Stiefel.
Ich hatte geglaubt, ich kannte alle Blutsauger in der Stadt, aber hier war schon der zweite neue innerhalb von zwei Minuten. »Wie viele Neue sind in der Stadt?«, fragte ich. »Ein paar«, antwortete Jean-Claude. »Das ist Damian. Damian, das ist Anita.« »Ich komme mir in diesem Aufzug albern vor«, sagte er.
»Aber du siehst prächtig aus, findest du nicht auch, ma petite?« Ich nickte. »So kann man es auch nennen.« Jean-Claude umkreiste den neuen Vampir, zupfte nicht vorhandene Fusseln von seiner Jacke. »Gefällt es dir nicht, Anita?«
Ich seufzte. »Es ist nur ... « Ich zuckte die Achseln. »Warum soll sich in deinem Dunstkreis jeder so anziehen, als käme er aus einer sexuellen Fantasie mit hohem Kostümbudget?«
Er lachte, und der Klang wickelte mich ein und berührte mich an Stellen, wo er selbst noch nie hingekommen war. »Lass das«, forderte ich. »Es gefällt dir, ma petite.« »Mag sein, aber lass es trotzdem.«
»Jean-Claude hatte schon immer einen Sinn für schrille Klamotten«, sagte Damian, »und Sex war immer eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, nicht wahr?« Letzteres hörte sich nicht an, als sollte es ein Kompliment sein.
Jean-Claude bot ihm die Stirn. »Und dennoch, trotz meiner geckenhaften Allüren, bist du hier, in meinem Reich, und suchst meinen Schutz.«
Damians Pupillen verschwanden in grünem Feuer. »Danke, dass du mich daran erinnerst.«
»Erinnere dich, wer hier der Meister ist, Damian, oder du wirst verbannt. Der Rat selbst hat bei deinem alten Meister interveniert, dich vor ihr gerettet. Sie wollte dich nicht aufgeben. Ich habe für dich gesprochen. Ich habe dich freigekauft, weil ich sehr gut weiß, wie es ist, in der Falle zu sitzen. Zu Dingen gezwungen zu werden, die man nicht tun will. Benutzt und gequält zu werden.«
Damian stand ein bisschen steifer da, aber er sah nicht weg. »Du hast recht. Ich bin ... dankbar, hier zu sein.« Er drehte den Kopf, dann sah er zu Boden, und ein Schauder durchlief ihn. »Ich bin froh, von ihr befreit zu sein.« Als er wieder aufblickte, waren seine Augen wieder normal. Er rang sich ein Lächeln ab, das aber nicht bis zu den Augen vordrang. »Ein paar Kostüme zu tragen kann kaum so schlimm sein wie manches andere, was ich getan habe.«
Er klang so unglücklich, dass ich versucht war, Jean-Claude zu bitten, er solle ihn eine andere Hose anziehen lassen, aber ich tat es nicht. Jean-Claude beschritt hier einen sehr schmalen Grat. Damian war über fünfhundert Jahre alt. Er war kein Meister, aber das bedeutete trotzdem höllische Kräfte. Jean-Claude würde vielleicht mit Liv und Damian fertig werden, aber wenn da noch mehr waren, dann wäre er der Sache nicht gewachsen, ob Meister der Stadt oder nicht. Das hieß, dass diese kleinen Machtspielchen notwendig waren. Man durfte sie nicht vergessen lassen, wer der Meister war, denn war das einmal der Fall, war er für immer erledigt. Hätte er mich um meine Meinung gefragt, bevor er die Einladungen rausschickte, ich hätte Nein gesagt.
Am anderen Ende des Saales öffnete sich eine Tür. Es war eine schwarze Tür in einer schwarzen Wand, und es wirkte fast wie ein Zauber, als eine Frau darin erschien. Sie hatte ungefähr meine Statur und hüftlange, wellige braune Haare, die über die Schultern ihres
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