Anita Blake 07 - Dunkle Glut
»Tief genug, um uns alle zu verschlucken, wenn der Rat es wünscht.«
»Vielleicht hätte ich die Pistole nicht ziehen sollen.« »Vielleicht nicht.«
Die Rechnung kam. Wir bezahlten. Wir gingen. Ich machte einen Umweg über die Damentoilette, um die Waffe herauszuholen. Jean-Claude nahm meine Wagenschlüssel, damit ich nichts anderes zu handhaben hätte als die Pistole. Es war ein kurzer Weg vom Waschraum bis zum Ausgang. Schwarze Pistole auf schwarzem Kleid. Entweder wurde sie nicht bemerkt oder keiner wollte darin verwickelt werden. Sonst noch was Neues?
9
Der Parkplatz war eine weite schwarz glänzende Fläche mit ein paar beleuchteten Stellen und funkelnden Autos. Jaguar, Volvo und Mercedes waren die vorherrschende Klasse. Am Ende einer Reihe sah ich ein Stückchen von meinem Jeep. Während ich zwischen den Wagen hindurchging, verlor ich ihn wieder aus den Augen. Jean-Claude hielt die Schlüssel in der hohlen Hand, damit sie nicht klimperten. Wir gingen nicht Arm in Arm oder etwas dergleichen. Ich hielt die Firestar beidhändig mit dem Lauf nach unten, aber schussbereit. Ich suchte den Parkplatz mit den Augen ab, drehte mich hin und her, ohne Scheu. Ein Polizist hätte schon von weitem gesehen, was ich da tat. Ich suchte nach einer Gefahrenquelle, nach einem Ziel.
Ich kam mir albern vor und war trotzdem nervös. Die Haut an meinen nackten Schultern wollte mir den Rücken runterkriechen. Es war verrückt, aber in Jeans und T-Shirt hätte ich mich besser gefühlt. Sicherer.
»Ich glaube nicht, dass sie hier draußen sind«, sagte ich leise.
»Ich bin sicher, dass du recht hast, ma petite. Yvette und Balthasar haben ihre Botschaft überbracht und sind nach Hause zu ihren Meistern gelaufen.«
Ich warf einen kurzen Blick auf sein Gesicht, ehe ich wie er über den Parkplatz spähte. »Warum nehme ich dann eiter diese Haltung ein?« »Weil der Rat nur mit Gefolge reist. Wir haben heute acht noch nicht den letzten von ihnen gesehen, ma petite. Das kann ich dir versprechen.« »Großartig.«
Wir kamen an den letzten Wagen vor meinem Jeep. Da lehnte ein Mann. Unwillkürlich zielte ich auf ihn. Ohne nachzudenken, reiner Verfolgungswahn - oh, Tschuldigung, reine Vorsicht.
Jean-Claude neben mir wurde zur Säule. Die alten Vampire beherrschen das - plötzlich regt sich nichts mehr, kein Atem, keine Bewegung, nichts. Als würden sie sich im nächsten Moment, wo man wegsieht, in Luft auflösen.
Der Mann lehnte an meiner Hecktür. Ich sah ihn im Profil. Er wollte sich gerade eine Zigarette anzünden. Man konnte glauben, er habe uns nicht bemerkt, aber so dumm war ich nicht. Ich zielte auf ihn. Er wusste, dass wir da standen. Das Streichholz flammte auf und zeigte mir eines der makellosesten Profile, die ich je gesehen hatte. Seine Haare leuchteten goldblond, schulterlange, dichte Wellen. Mit geübter Bewegung schnippte er das Streichholz auf den Asphalt. Er nahm die Zigarette aus dem Mund und hob das Gesicht zum Himmel. Die Straßenbeleuchtung spielte auf seinem Gesicht und den goldenen Haaren. Er blies drei perfekte Rauchkringel in die Luft und lachte.
Das Lachen rann mir die Wirbelsäule hinunter, als hätte er mich angefasst. Ich schauderte und fragte mich, wie ich mir eigentlich hatte einbilden können, dass er ein Mensch war.
»Asher«, sagte Jean-Claude. Er sprach den Namen ohne Gefühl, ohne Bedeutung. Aber ich konnte mich gerade noch bezwingen, nicht den Kopf zu drehen, um Jean-Claudes Gesicht zu sehen. Ich wusste, wer Asher war, aber nur vom Hörensagen. Asher und sein menschlicher Diener, Julianna waren mit Jean-Claude zwei Jahrzehnte lang durch Europa gereist. Es war eine Menage-ä-trois gewesen, das einzige, was Jean-Claude als Familie gehabt hatte, seit er Vampir geworden war. Jean-Claude war zu seiner sterbenden Mutter gerufen worden. Asher und Julianna waren von der Kirche gefangen worden, sprich von Hexenjägern.
Asher drehte sich um und zeigte uns sein Profil von rechts. Die Straßenbeleuchtung, die eben noch die Makellosigkeit der linken Gesichtshälfte herausgestrichen hatte, war jetzt grausam. Die rechte Hälfte sah aus wie geschmolzenes, wiedererstarrtes Wachs. Brandnarben und Verätzungen von Weihwasser. Bei Vampiren heilten Wunden, die von heiligen Gegenständen stammten, nicht ohne Narben zu hinterlassen. Die Priester hatten eine Theorie gehabt, wonach sie Asher den Teufel aus dem Leib brennen könnten und zwar tropfenweise mit
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