Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
mir die anderen drei ... Körper angesehen habe.
Es schien mir, als würde Marks ein kleines bisschen blasser. »Sie wollen wieder da rein?« »Die Opfer sind die Anhaltspunkte, Lieutenant. Das wissen Sie doch.« »Wir können Sie zum Tatort fahren«, schlug er vor. Das war das Netteste, was ich bis dahin von ihm gehört hatte.
»Prima, und ich muss ihn mir auch ansehen, aber im Moment sind wir hier, und da drinnen gibt es ein paar mögliche Hinweise.« Ich konnte wieder normal atmen, und der Schweiß auf meiner Stirn war getrocknet. Vielleicht war ich noch etwas blass, aber davon abgesehen ging es mir gut.
Ich ging auf die Mitte des Flurs und winkte Edward zu mir,
als hätte ich etwas, das nur für seine Ohren bestimmt war. Er löste sich von der Wand und kam. Als er nah genug heran war, täuschte ich einen niedrigen Tritt vor, sodass er für einen Augenblick nach unten sah. Mein zweiter Tritt traf ihn am Kinn. Er stürzte hart auf den Rücken, weil er die Arme hochriss, um sein Gesicht zu schützen. Er kannte sich gut genug aus, um zuerst wichtige Körperteile zu verteidigen und sich um die aufrechte Haltung später zu kümmern.
Mir klopfte das Herz in der Brust, aber nicht vor Anstrengung, sondern vom Adrenalin. Ich hatte meine neu erworbenen Kenpo-Kenntnisse noch nie angewendet. Sie an Edward auszuprobieren war wahrscheinlich nicht die beste Idee, hatte aber funktioniert. Allerdings war ich etwas überrascht, dass es so leicht gewesen war. In meinem Hinterkopf fragte eine leise Stimme, ob er sich absichtlich von mir hatte treten lassen. Eine andere meinte, dass er dafür zu viel Ego hatte. Ich glaubte der zweiten. Ich blieb, wo ich war, in der abgewandelten Pferdestellung. Das war so ziemlich die einzige Stellung, die ich gut genug beherrschte, um sie nach einem Tritt wieder einzunehmen. Ich hielt die Fäuste vor mir und wartete, aber Edward griff nicht an.
Als ihm klar wurde, dass ich nichts weiter tun würde, ließ er die Arme sinken und starrte mich an. »Was sollte das denn?« Er blutete an der Unterlippe.
»Ich habe ein paar Kenpo-Stunden genommen.« »Kenpo ?« »Das ist so eine Art Taekwondo mit weniger Tritten und fließenderen Bewegungen, viel Handarbeit.« »Ein schwarzer Judo-Gürtel war nicht genug?«, fragte er, und es war Teds Stimme, die ich hörte. »Judo ist prima, um fit zu bleiben, aber nicht so gut zur Selbstverteidigung. Man muss zu dicht an die üblen Burschen heran. Bei Kenpo kann ich außer Reichweite bleiben und trotzdem Schaden anrichten.«
Er fasste sich an die Lippe und holte sich blutige Finger. »Das sehe ich. Warum?« »Warum ich dir ins Gesicht getreten habe?« Er nickte, und ich glaube, er zuckte leicht zusammen. Klasse.
»Warum hast du mich nicht auf die Opfer vorbereitet? Mir gesagt, was da auf mich zukommt?« »Ich bin auch unvorbereitet reingegangen«, sagte er. »Ich wollte sehen, wie du damit klarkommst.« »Das ist hier keine Mutprobe, Edward. Ted. Ich will mich nicht mit dir messen. Ich weiß, dass du besser bist, härter, gefühlloser. Du hast gewonnen, okay? Hör auf mit diesem MachoScheiß.«
»Ich bin mir nicht so sicher«, erwiderte er leise. »Womit?« »Wer härter ist. Immerhin habe ich den Patientenrundgang auch nicht geschafft.«
Ich starrte ihn an. »Wenn du unbedingt gegen mich antreten willst, schön, aber nicht jetzt. Wir haben ein Verbrechen aufzuklären. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht noch mehr Opfer gibt. Wenn wir damit fertig sind, kannst du deinen Wettkampf haben. Bis dahin klammere diesen Mist aus, oder ich werde ernsthaft sauer.«
Edward stand langsam auf. Ich ging außer Reichweite. Ich hatte ihn noch nie mit einer Kampfkunsttechnik gesehen, aber ihm traute ich alles zu.
Ein Geräusch veranlasste mich, weiter zurückzuweichen, bis ich Marks im Blickfeld hatte, ohne Edward aus den Augen lassen zu müssen. Der Lieutenant gluckste leise, und ich begriff nicht gleich, dass er lachte. Er lachte so heftig, dass er dunkelrot angelaufen war und kaum noch richtig atmen konnte.
Edward und ich starrten ihn an.
Als Marks endlich wieder sprechen konnte, sagte er: »Sie treten einem Mann ins Gesicht und sind noch nicht >ernsthaft sauer<.« Er richtete sich auf und hielt sich die Seite. »Was heißt dann bei Ihnen >ernsthaft sauer«
Ich merkte, wie mein Gesicht, meine Augen leer wurden. Einen Moment lang ließ ich Marks das klaffende Loch sehen, wo mein Gewissen hätte sein
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