Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
sollen. Ich wollte es gar nicht, konnte aber scheinbar nicht anders. Vielleicht hatte mich der Anblick in dem Krankenraum mehr erschüttert als gedacht. Das ist die einzige Entschuldigung, die mir einfällt.
Marks schwindende Heiterkeit ging in Beunruhigung über. Er sah mich mit Polizistenaugen an, aber dahinter saß eine Unsicherheit, die an Angst grenzte.
»Lächeln, Lieutenant. Das ist ein guter Tag. Niemand ist gestorben.«
Ich sah zu, wie sich der Gedanke in seinem Gesicht ausbreitete. Er begriff genau, was ich meinte. Vor einem Polizisten sollte man nicht einmal andeuten, wenn man bereit ist zu töten, aber ich war müde, und ich hatte noch drei Patienten vor mir. Scheiße.
»Und du wunderst dich, warum ich gegen dich antreten möchte?«, raunte Edward mir mit ausdrucksloser Stimme zu.
Ich bedachte ihn mit einem Blick, der ebenso tot war wie seiner. Ich schüttelte den Kopf. »Ich wundere mich nicht ... Ted. Ich habe nur verlangt, dass du damit aufhörst, bis der Fall gelöst ist.«
»Und dann?«, fragte er. »Dann werden wir weitersehen.« Ich sah keine Angst in seinem Gesicht. Ich sah Vorfreude.
Und das war der Unterschied zwischen uns. Er tötete gern. Ich nicht. Was mich wirklich erschreckte war der Gedanke, dass das inzwischen der einzige Unterschied zwischen uns sein könnte. Er wäre nicht groß genug, als dass ich auf Edward den ersten Stein werfen durfte. Ich hatte trotz allem mehr Grundsätze als er. Es gab noch immer Dinge, die er tun würde und ich nicht, aber auch diese Liste war kürzer geworden. Ich spürte so etwas wie Panik in meinem Magen flattern. Nicht Angst vor Edward oder was er tun könnte, sondern vor der Frage, wann er die Grenze überschritten hatte und selbst zum Monster geworden war. Zu Evans hatte ich gesagt, wir seien die Guten. Aber wenn Edward und ich auf der Seite der Engel standen, was blieb dann auf der anderen Seite übrig?
Etwas, das einen Menschen bei lebendigem Leib häuten konnte, ohne ein Werkzeug zu benutzen. Etwas, das mit bloßen Händen einem Mann den Penis und einer Frau die Brüste abreißen konnte. So schlecht Edward war, so schlecht ich geworden war, es gab noch schlechtere Geschöpfe. Und auf eins davon würden wir Jagd machen.
8
Ich ging zurück in diesen Raum und, nein, ich erfuhr überhaupt nichts von den übrigen drei Opfern. Die ganze Tapferkeit umsonst. Na ja, nicht ganz umsonst. Ich bewies mir, dass ich noch einmal hingehen konnte, ohne zu brechen oder in Ohnmacht zu fallen. Es war mir egal, ob ich Edward oder Marks beeindruckte. Mich beeindruckte es. Wenn man sich selbst nicht beeindrucken kann, spielen die anderen auch keine Rolle mehr.
Dr. Evans hatte ich auch beeindruckt oder er brauchte eine stärkende Tasse Tee, denn er lud mich in das Ärzte- und Schwesternzimmer ein. Es gibt keinen wirklich ungenießbaren Kaffee, trotzdem hoffte ich um Evans Willen, dass der Tee besser war. Aber ich bezweifelte es. Der Kaffee kam aus einer Thermoskanne, und der Tee steckte in kleinen Beuteln an einer Schnur. Da kann man nicht viel erwarten. Zu Hause mahle ich die Bohnen selbst, aber ich war nicht zu Hause. Trotzdem war ich dankbar für die bittere Wärme.
Ich schüttete Sahne und Zucker hinein und stellte fest, dass der Kaffee in der Tasse zitterte, fast als könnte ich die Hände nicht ganz ruhig halten. Und kalt war mir auch. Das waren die Nerven, bloß die Nerven.
Falls Edward Nerven hatte, war ihm das nicht anzumerken, so wie er an der Wand lehnte und seinen schwarzen Kaffee trank. Als harter Kerl hatte er Zucker und Sahne abgelehnt. Er zuckte zusammen, wenn er trank, und wahrscheinlich nicht, weil das Zeug heiß war. Seine Lippe war leicht geschwollen. Das befriedigte mich. Kindisch, aber wahr.
Marks hatte sich auf die Couch gesetzt und pustete in seine Tasse. Er hatte Zucker und Sahne genommen. Evans setzte sich auf den einzigen Stuhl, der halbwegs bequem aussah, und rührte seufzend in seinem Tee.
Edward beobachtete mich, und schließlich begriff ich, dass er sich erst setzen würde, wenn ich es tat. Was für ein Blödsinn. Ich setzte mich auf einen Stuhl, dessen Lehne unangenehm gerade war, aber von diesem Platz hatte ich jeden im Blick einschließlich der Tür. Es gab einen kleinen Kühlschrank an der hinteren Wand, ein älteres Modell in einem seltsamen Braunton. In der kleinen, L-förmigen Küchenzeile gab es eine Kaffeemaschine, eine zweite Kaffeemaschine, in der eine
Weitere Kostenlose Bücher