Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
Arzt. Ich starrte ihn an. »Wie meinen Sie das?«
»Ich meine, dass keine Klinge verwendet wurde. Ganz gleich, wie gut jemand das Folterhandwerk beherrscht, es gibt immer Hinweise auf die verwendeten Werkzeuge. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass der Körper des Opfers die besten Hinweise bietet. Aber bei diesen ist das nicht so. Es sieht fast aus, als hätte
sich die Haut aufgelöst.«
»Ein Ätzmittel, das die Haut und weiches Gewebe wie Nasenknorpel und Geschlechtsteile auflöst, würde nicht hinter der Haut halt machen. Es würde sich bis ins Fleisch fressen.«
Er nickte. »Außer es würde sofort abgespült, aber hier waren keine Rückstände einer Säure zu finden. Und auch sonst finden sich keine Anzeichen einer Verätzung. Die Nase und Geschlechtsteile wurden abgerissen. Das sieht man an den Wundrändern. Es sieht so aus, als habe der Täter sie zuerst gehäutet und dann die Extremitäten abgerissen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin durch die ganze Welt gereist, um bei der Ergreifung von Folterern zu helfen. Ich glaubte, ich hätte schon alles gesehen. Ich habe mich geirrt.«
»Sind Sie Gerichtsmediziner?« »Ja.« »Aber diese Menschen sind nicht tot«, sagte ich. Er sah mich an. »Ja, sie sind nicht tot, aber meine Fähigkeiten der Beurteilung einer Leiche nützen auch hier.«
»Ted Forrester sagte, dass es auch Tote gegeben hat. Sind sie an der Häutung gestorben?« Jetzt wo ich meine Arbeit tat, kam mir der Raum nicht mehr so heiß vor. Wenn ich mich sehr darauf konzentrierte, würde ich mich vielleicht nicht auf die Patienten übergeben.
»Nein, sie wurden in Stücke geschnitten und liegen gelassen.« »Sie sagen >geschnitten<, es gab also Klingenspuren an den Leichenteilen ?« »Von einem Schneidewerkzeug, aber von keinem, das mir bekannt ist. Die Schnitte sind tief, aber nicht sauber. Da wurde etwas Gröberes als eine Stahlklinge benutzt.«
»Was?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Die Klinge schnitt nicht durch Knochen. Der Täter hat die Körperteile an den Gelenken abgerissen. Ein Mensch hätte dazu nicht die Kraft, nicht mehrmals hintereinander.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Meinen Sie denn, dass ein Mensch das getan haben kann?«, fragte er auf das Bett deutend.
»Sie fragen mich, ob ein Mensch das einem anderen antun kann? Wenn Sie durch die Welt gereist sind, um Foltertote zu untersuchen, dann wissen Sie genau, wozu Menschen fähig sind.«
»Ich behaupte nicht, dass ein Mensch das nicht tun würde, sondern dass es ihm praktisch nicht möglich wäre.«
Ich nickte. »Das Zerschneiden und Zerreißen könnte ein Mensch vielleicht noch schaffen, aber nicht das Häuten, ohne Werkzeugspuren zu hinterlassen.«
»Sie sagen Werkzeugspuren, nicht Klingenspuren. Die meisten Leute würden annehmen, dass man dazu eine Klinge braucht.«
»Etwas Kantiges genügt«, sagte ich, »allerdings würde es damit länger dauern und sehr unsauber aussehen. Das hier sieht seltsam sauber aus.«
»Ja«, sagte er nickend. »So entsetzlich es ist, die Sache wurde sehr sauber ausgeführt, bis auf das zusätzliche Gewebe, das wurde nicht sauber, sondern brutal entfernt.«
»Das klingt fast, als hätten wir es mit zwei Tätern zu tun.« »Wieso?«
»Jemanden mit einem stumpfen Werkzeug zu zerschneiden und dann die Glieder mit bloßen Händen auseinanderzureißen, das liegt mehr auf der Linie eines chaotischen Serienmörders. Das sorgfältige Häuten könnte ein ordnungsliebender Serienmörder getan haben. Warum sollte sich einer die Mühe machen, Gesicht und Schamgegend sauber zu häuten und dann Teile abreißen? Entweder waren es zwei verschiedene Täter oder zwei verschiedene Persönlichkeiten.«
»Eine multiple Persönlichkeit?«
»Nicht unbedingt, aber nicht alle Serienmörder sind so leicht in eine Kategorie einzuordnen. Einige ordentlich veranlagte Kriminelle haben Momente der Brutalität, die an einen chaotischen Täter erinnern, und mancher wohlgeordnete Kopf wird chaotischer, wenn das Töten eskaliert. Das gilt nicht für chaotische Täter. Sie sind nicht fähig, ordentliches Vorgehen nachzuahmen.«
»Also entweder ein ordnungsliebender Mörder mit chaotischen Momenten oder ... oder was?« Der gute Doktor redete völlig sachlich mit mir, überhaupt nicht mehr ärgerlich. Ich hatte ihn entweder beeindruckt oder zumindest nicht enttäuscht. Noch nicht.
»Es könnte ein
Weitere Kostenlose Bücher