Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
nichts. Ich könnte nicht behaupten, dass eine Seele eine physische Gestalt hat, aber ich wusste, dass sie da war. Ich hätte die Umrisse mit dem Finger nachzeichnen können, wusste, wie viel Platz sie einnahm. Aber sie war Energie, Geist, und sie nahm zwar Raum ein, aber ich war mir nicht sicher, ob sie dieselbe Art Raum einnahm wie ich, wie das Bett oder sonst etwas.
»Wie lange sind sie schon tot?«, fragte ich gedämpft, als könnte ich sie vertreiben, wenn ich zu laut redete. »Sie sind nicht tot«, antwortete Ramirez. Ich drehte mich verständnislos zu ihm um. » Was soll das heißen?« »Sie haben die Bromwells gesehen , im Krankenhaus. Sie sind beide noch am Leben.«
Ich sah in sein ernstes Gesicht. Das Lächeln war verschwunden. Ich drehte den Kopf zu der schwebenden Präsenz. »Hier ist jemand gestorben«, stellte ich fest. »Hier ist niemand zerstückelt worden«, widersprach Ramirez. »Das ist nach Aussage der Kollegen in Santa Fe die Tötungsart des Täters. Sehen Sie auf den Teppich. Da ist nicht genug Blut, als dass hier jemand zerstückelt wurde.«
Ich besah den hellgrünen Boden, und er hatte recht. Das Blut war wie Saft in den Teppich eingezogen, aber es war nicht viel, nur Spritzer und Kleckse. Trotzdem roch man noch ganz schwach, dass sich jemandes Darm entleert hatte - entweder unter der Folter oder durch den Tod. Das war immer so. Mit dem Tod geht ein letztes intimes Geschehen einher.
Ich schüttelte den Kopf und überlegte, was ich sagen sollte. Wäre ich in St. Louis gewesen zusammen mit Dolph und Zerbrowski und den anderen Kollegen, hätte ich einfach gesagt, ich spüre eine Seele. Aber ich kannte Ramirez nicht, und die meisten Polizisten gruseln sich bei jemandem, der dieses mystische Zeug drauf hat. Sagen oder nicht sagen, das war hier die Frage. Doch Geräusche aus dem vorderen Zimmer ließen uns alle den Kopf zur offenen Tür drehen.
Männerstimmen und eilige Schritte näherten sich. Ich hatte die Hand an der Pistole, als ich jemanden brüllen hörte: »Ramirez, wo zum Teufel stecken Sie?«
Es war Lieutenant Marks. Ich ließ die Pistole los und wusste, ich würde der Polizei nicht sagen, dass hinter mir eine Seele unter der Decke schwebte. Marks hatte schon genug Angst vor mir.
Er drängte mit einem kleinen Bataillon Uniformierter in die Tür, fast als rechnete er mit Gegenwehr. Als er mich sah, guckte er unwirsch und erfreut zugleich. »Runter von meinem Tatort, Blake. Sie sind draußen.«
Edward trat lächelnd vor und versuchte, den Friedensstifter zu geben. »Aber, Lieutenant, wer erteilt denn solch einen Befehl ?« »Mein Chef.« Er wandte sich an seinen Trupp. »Bringt sie vom Grundstück runter.«
Ich hielt die Hände hoch und ging zur Tür, bevor die Polizisten hereinkamen. »Ich gehe, kein Problem. Sie brauchen nicht grob zu werden.« »Das ist nicht grob, Blake«, fauchte Marks mir ins Gesicht. »Kommen Sie noch einmal in meine Nähe, dann zeige ich Ihnen, was grob ist.«
Ich blieb in der Tür stehen und begegnete seinem Blick. Seine Augen waren königsblau geworden und funkelten vor Zorn. Der Durchgang war nicht breit, sodass wir uns beinahe berührten. »Ich habe nichts Falsches getan, Marks.« Er antwortete leise, aber für alle hörbar: »Eine Hexe sollst du nicht am Leben lassen.«
Mir schoss vieles durch den Kopf, das ich sagen oder tun konnte, doch dann wäre ich von einem Haufen Polizisten aus dem Haus geschleppt worden. Das wollte ich nicht, ich wollte Marks leiden sehen. Ständig muss man sich entscheiden.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und pflanzte einen dicken Schmatz auf seinen Mund. Er stieß mich so heftig von sich, dass er rückwärts taumelte und auf dem Rücken landete. Männliches Gelächter hallte durch den Flur. Zwei rote Flecken flammten auf Marks Wangen auf, als er keuchend auf dem Teppich lag.
»Sie liegen auf Ihrem Tatort, Marks«, sagte ich. »Raus hier, sofort.«
Ich warf ihm eine Kusshand zu und ging durch die grinsenden Reihen der Polizisten. Einer bot mir an, ich dürfe ihn jederzeit küssen. Ich erwiderte, das wäre mir zu viel, und verließ unter Gelächter, Pfiffen und Witzeleien, hauptsächlich auf
Marks' Kosten, das Haus. Er schien nicht sonderlich beliebt zu sein. Sich mal an.
Edward blieb noch ein paar Augenblicke, versuchte wahrscheinlich, die Wogen zu glätten, wie es ein braver Ted tun würde. Aber schließlich kam er heraus und schüttelte den Polizisten
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