Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
Hemdsärmeln. Seine Haut war kräftig braun, aber nicht von der Sonne. Er war hispanischer oder indianischer Abstammung oder beides. Die Haare waren sehr kurz geschnitten, nicht aus modischen, sondern aus praktischen Gründen. An der Hüfte trug er eine Pistole und am Hosenbund klemmte eine goldene Polizeimarke.
»Ich bin Detective Ramirez. Entschuldigen Sie, dass ich zu spät komme.« Er lächelte dabei und wirkte gut gelaunt, aber ich misstraute dem Eindruck. Ich hatte zu oft erlebt, wie Polizisten plötzlich von gut gelaunt zu knochenhart wechseln. Ramirez versuchte bloß, seine Fliegen mit Honig statt mit Essig zu fangen, aber ich wusste, er hatte den Essig in der Hinterhand. Ohne diesen herben Zug wurde man die Uniform nicht los. Oder ohne seine Unschuld einzubüßen, sollte ich vielleicht sagen. Wie auch immer, er war da, fragte sich nur, wie weit oben er saß.
Aber ich streckte lächelnd die Hand aus, und er nahm sie. Sein Händedruck war fest, sein Lächeln noch da, aber die Augen waren kalt und bemerkten alles. Wenn ich jetzt den Raum verließe, würde er mich in allen Einzelheiten bis hinunter zur Waffe beschreiben können. Oder vielleicht von der Waffe angefangen.
Officer Norton folgte mir noch immer wie eine pummelige Brautjungfer. Ramirez' Blick huschte zu ihm, und sein Lächeln erschlaffte für einen Moment. »Danke, Officer Norton. Ich übernehme das jetzt.«
Nortons Blick war nicht freundlich. Vielleicht konnte er niemanden leiden. Oder er war weiß und Ramirez nicht. Er war alt und Ramirez jung. Er würde seine Laufbahn in Uniform beenden und Ramirez als Zivilfahnder. Vorurteil und Neid liegen oft nah beieinander. Oder Norton hatte einfach nur schlechte Laune.
Wie auch immer, Norton ging wie befohlen und schloss die Tür. Ramirez' Lächeln ging eine Raste nach oben, als er sich mir zuwandte. Ich stellte fest, dass er jungenhaft hübsch war, und das war ihm bewusst. Nicht dass er von sich eingenommen war, aber ich war eine Frau und er war süß, und so hoffte er, das würde ihm bei mir etwas Spielraum verschaffen. Junge, da war er aber auf dem falschen Dampfer.
Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte er. Selbst das leichte Stirnrunzeln war jungenhaft und gewinnend. Er musste vor dem Spiegel geübt haben. »Nein, Detective, durchaus nicht.« »Bitte, nennen Sie mich Hernando.«
Ich musste noch breiter lächeln. »Ich heiße Anita.« Seine Zähne blitzten. »Anita, hübscher Name.« »Nein«, sagte ich, »und wir haben eine Tatortbegehung vor uns, kein Rendezvous. Sie können Ihren Charme ein bisschen abkühlen lassen und sind mir trotzdem noch sympathisch, Detective Ramirez. Ich werde Ihnen sogar verraten, welche Schlüsse ich ziehe, Ehrenwort.« »Hernando«, sagte er.
Ich musste lachen. »Hernando, also gut. Aber Sie brauchen sich wirklich nicht so anzustrengen, um mich für sich ein zunehmen. Ich kenne Sie nicht gut genug, um Sie abzulehnen.« Darüber musste er lachen. »Bin ich so leicht zu durchschauen?« »Sie können gut den guten Polizisten spielen, und der jungenhafte Charme ist klasse, aber, wie gesagt, nicht nötig.«
»Okay, Anita.« Das Lächeln ging um ein oder zwei Watt zurück, trotzdem blieb er offen und heiter. Das machte mich nervös. »Haben Sie schon das ganze Haus gesehen?« »Noch nicht. Officer Norton rückte mir ein bisschen zu dicht auf die Pelle. Das erschwerte das Umhergehen.«
Das Lächeln erlosch, aber sein Augenausdruck war echt. »Sie sind eine Frau, und bei den schwarzen Haaren haben Sie wahrscheinlich mehr dunkles Blut in sich, als Ihre blasse Haut vermuten lässt.«
»Meine Mutter war Mexikanerin, aber die meisten Leute denken sich nichts dabei.« »Sie befinden sich in einem Landesteil, wo eine große Vermischung stattfindet.« Dabei lächelte er nicht mehr. Er sah ernst und nicht mehr ganz so jung aus. »Wer hier darauf achtet, dem fällt das auf. «
»Ich könnte auch italienisches Blut haben«, erwiderte ich. Diesmal ein leichtes Lächeln. »Wir haben nur wenige dunkelhaarige Italiener in New Mexico.« »Das ist mir in der kurzen Zeit hier entgangen.« »Sind Sie zum ersten Mal in dieser Gegend?« Ich nickte.
»Was denken Sie bisher?« »Ich habe ein Krankenhaus und ein Zimmer dieses Hauses gesehen. Es ist wohl noch zu früh, um sich eine Meinung zu bilden.« »Wenn uns eine Atempause vergönnt ist, würde ich Ihnen gern einige Sehenswürdigkeiten
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