Anita Blake 08 - Göttin der Dunkelheit
Schrei aus, öffnete die Hand, und ich zog ihren Arm weg, ohne den Druck auf den Nerv zu verringern. Sie wehrte sich nicht, sondern jammerte nur und starrte mich mit großen unscharfen Augen an, doch der Schmerz verscheuchte ihre Trunkenheit. Wenn ich das lange genug durchhielt, vielleicht fünfzehn Minuten oder so, wäre sie wieder nüchtern. Oder ohnmächtig.
»Ich bin dran.« Ich sprach leise, war aber gut zu hören. Die Bühne hatte eine prima Akustik. Die große Dunkelhaarige kroch auf allen vieren mit ihrem engen Rock von dem Mann weg und fiel schließlich flach aufs Gesicht. Man muss schon ziemlich betrunken sein, um beim Kriechen hinzufallen. Sie kam auf einen Ellbogen hoch und sagte schleppend, aber ängstlich: »Er gehört dir.«
Ich zog die Blonde noch ein paar Schritte weiter von dem Mann weg und ließ dann langsam ihren Arm los. »Bleib hier stehen«, befahl ich. Leicht gebeugt hielt sie sich den Arm an den Körper, und der Blick, den sie mir zuschoss, war nicht freundlich, aber sie fing nicht an zu zanken. Ich glaube, sie hatte Angst vor mir. Es war kein schöner Abend für mich. Zuerst ließ ich die Nette im Stich, dann terrorisierte ich die Betrunkene. Ich hätte gesagt, es könnte kaum schlimmer kommen, doch das war ein Irrtum. Ich wandte mich dem nackten Mann zu und wusste nicht weiter.
Ich tat das, weil mir keine elegante Art einfiel, die Bühne zu verlassen. Wahrscheinlich hätte ich meine Tarnung als Touristin aufgegeben, doch Edward hatte mich eine Pistole und drei Messer in den Club mitnehmen lassen. Wir alle waren gut gerüstet. Wenn die Rausschmeißer keine Idioten waren, mussten sie etwas von den Waffen bemerkt haben. Ich sollte mich nicht zu erkennen geben, aber Opfer spielen konnte ich noch nie gut. Ich hätte gar nicht erst auf die Bühne gehen sollen, doch nun war es zu spät.
Der Mann und ich standen uns gegenüber, er mit dem Rücken zum Publikum. Er beugte sich zu mir, sodass ich seinen warmen Atem an der Wange spürte. »Meine Heldin, ich danke dir. « Ich nickte, und diese kleine Bewegung ließ meine Haare gegen sein Gesicht fallen. Mein Mund war trocken, das schlucken war schwierig. Mein Herz klopfte plötzlich zu heftig, zu schnell, wie nach einem Dauerlauf. Das war eine alberne Reaktion bei einem fremden Mann. Mir war schrecklich bewusst, wie nah er vor mir stand, wie wenig er anhatte und dass ich die Arme hängen ließ, weil schon die kleinste Bewegung Berührung bedeutet hätte. Was war nur los mit mir? In St. Louis hatte ich nicht so stark auf Männer reagiert. Lag das an der Luft von New Mexico, vielleicht am Sauerstoffmangel der Höhenluft?
Er rieb sein Gesicht an meinen Haaren und flüsterte: »Ich heiße Cesar.« Dabei kam er mit dem Hals an mein Gesicht. Da war ein Hauch Damenparfüm, das den reinen Geruch seiner Haut überdeckte, aber dazu gab es noch einen schärferen Geruch. Es war die Witterung einer wärmeren Haut als der menschlichen, leicht moschusartig und so satt, so feucht, als könnte man darin baden, und das Bad wäre warm, warm wie Blut oder wärmer. Der Geruch war so stark, dass ich schwankte, und einen Moment lang spürte ich Fell über mein Gesicht streichen wie einen Samtbausch. Die Erinnerung eines Gefühls durchströmte mich und machte meine sorgsam gehütete Selbstbeherrschung zunichte. Die Macht stieg wie eine heiße Fontäne in mir auf. Ich hatte die Verbindung zu meinen Männern gekappt, sodass ich jetzt allein in meiner Haut steckte, doch die Vampirzeichen waren noch da und drängten in seltsamen Momenten wie diesem an die Oberfläche. Gestaltwandler erkennen einander. Ihr Tier weiß sofort Bescheid, und obwohl ich selbst keins hatte, hatte ich ein Stück von Richard in mir. Das reagierte auf Cesar. Wenn ich damit gerechnet hätte, hätte ich es verhindern können, aber jetzt war es zu spät. Es war nicht gefährlich, nur ein Hitzeschwall, der über meine Haut pulsierte, eine spielende Energie, die nicht von mir stammte.
Cesar fuhr von mir zurück, als hätte er sich verbrannt, dann lächelte er. Es war ein wissendes Lächeln, als teilten wir ein Geheimnis. Er war nicht der erste Gestaltwandler, der mich für einen der ihren hielt. Soweit ich wusste, gab es außer mir nur noch einen Menschen auf der Welt, der so eine enge Verbindung zu einem Gestaltwandler hatte. Der war mit einem Wertiger, nicht mit einem Werwolf verbunden, aber die Probleme waren die gleichen. Wir gehörten beide zu einem Vampirtriumvirat, und keiner
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