Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
haben müssen, hatte ich aber nicht. Ich war so müde, so unglaublich müde.
Aus dem Licht griffen bleiche Hände nach mir. Der Ärmel eines weißen Hemdes bauschte sich um den Arm, und ich streckte die Hand danach aus. Jean-Claude ergriff sie und zog mich ans Licht.
Ich lag wieder in dem dunklen Raum, aber meine Haut war nass und mir war kalt, so kalt. Jean-Claude barg mich in seinem Schoß. Er hatte noch das Latexzeug an. Das erinnerte mich an den Kampf. Ich war verletzt worden. Jean-Claude beugte sich über mich und küsste mich auf die Stirn, legte die Wange an meine. Seine Haut war so kalt - wie Eis. Das Zittern wurde schlimmer, ich konnte nichts dagegen tun.
»Mir ist kalt«, sagte ich.
»Ich weiß, ma petite, wir frieren beide.«
Ich runzelte die Stirn, weil ich das nicht verstand. Er sah jemand anderen an. »Ich habe sie zurückgeholt, aber ich kann ihr nicht die Wärme geben, die sie zum Überleben braucht.«
Ich schaffte es, den Kopf so weit zu drehen, dass ich den Angesprochenen sehen konnte. Richard stand da mit Jamil und Shang-Da und Gregory. Richard trat ans Bett, berührte mein Gesicht. Seine Hand fühlte sich heiß an. Das war zu viel. Ich versuchte, der Hand auszuweichen.
»Anita, kannst du mich hören?«
Ich klapperte so heftig mit den Zähnen, dass ich es kaum herausbrachte, aber dann konnte ich ja sagen.
»Du hast hohes Fieber, sehr hohes Fieber. Sie haben dich in Eiswasser getaucht, um es zu senken. Aber dein Körper reagiert wie bei einem Gestaltwandler. Die große Kälte während des Heilungsprozesses hätte dich fast umgebracht.«
Ich runzelte die Stirn und bemühte mich zu sprechen. »Versteh nicht.« Der Schüttelfrost wurde heftiger, so heftig, dass es den Wundschmerz steigerte. Ich war so weit zu mir gekommen, dass ich merkte, wie stark meine Schmerzen waren. Ich hatte Schmerzen an Körperstellen, wo ich meiner Erinnerung nach keine Verletzung abbekommen hatte. Mir taten sämtliche Muskeln weh.
»Du brauchst das Fieber zum Heilen, genau wie wir.«
Ich verstand nicht, wer »wir« war. »Wer ...« Ein Krampf erfasste meinen Körper und entriss mir einen Schrei. Schmerzen schossen durch sämtliche Glieder. Hätte ich Luft bekommen, hätte ich weiter geschrien. Mein Blick verschwamm in großen grauen Flecken.
»Holt den Arzt!« Richards Stimme.
»Du weißt, was getan werden muss, mon ami.«
»Wenn das etwas nützt, dann habe ich sie endgültig verloren.«
Mein Blick klärte sich für einige Augenblicke. Richard schälte sich aus den engen Hosen. Es war das Letzte, was ich sah, bevor die grauen Flecken zurückkamen und ich darin unterging.
9
Ich glaubte zu träumen, war mir aber nicht sicher. Da waren Gesichter im Dunkeln, manche kannte ich, andere nicht. Cherry mit ihren kurzen blonden Haaren und ungeschminktem Gesicht, mit dem sie Jahre jünger aussah. Gregory, der meine Wange streichelte. Jamil neben mir, eine dunkle, zusammengerollte Gestalt. Ich wechselte zwischen Wachsein und Schlaf, von Gesicht zu Gesicht, von Körper zu Körper, weil sie sich an mich drängten, nackte Haut an nackter Haut. Es war nicht sexuell, zumindest nicht offenkundig. Manchmal wusste ich, dass es Richards Arme waren, in denen ich lag, sein Körper, der sich von hinten an mich schmiegte, seine dicken Haare, die sich über mein Gesicht gebreitet hatten. Ich schlief und fühlte mich sicher.
Sehr langsam kam ich zu mir, in einem Kokon aus Körperwärme und kribbelnder Lykanthropenenergie. Ich wollte mich umdrehen und stellte fest, dass ich zwischen schweren Leibern eingekeilt war. Ich machte die Augen auf. Es war dunkel im Zimmer, nur ein kleines Nachtlicht brannte an einer Wand wie in einem Kinderzimmer. Mein nächtliches Sehvermögen war so gut, dass ich auch Farben erkennen konnte. Vor mir lag ein fremder Mann mit dem Gesicht über meiner Brust, sein Atem strich mir warm über die Haut. Normerweise wäre ich entsetzt aufgesprungen und geflüchtet, aber mir war nicht danach. Ich fühlte mich warm und sicher und so ... zufrieden wie schon lange nicht mehr, so als läge ich in meinem Lieblingsflanellpyjama unter meinem Lieblingsquilt. Genauso behaglich und friedvoll. Auch der Anblick des Arms, der um meine Taille lag, störte mich nicht. Vielleicht hatte Dr. Lillian mir eine Medizin eingeflößt, mit der man alles okay fand. Ich wusste nur, dass ich mich nicht bewegen wollte. Es war, wie wenn man am Morgen das
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