Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
dafür bestrafen. Wenn du das nicht tust, verlierst du noch mehr Boden an Jacob. Und wenn du ihn hier einsperrst, wird das allein die Entwicklung auch nicht stoppen. Jeder, der beteiligt war, muss büßen.«
»Du bist gar nicht wütend«, sagte er und schaute verwirrt. »Ich dachte, du willst Rache, aber du scheinst ganz kühl zu sein.«
»Ich wollte Rache, aber du hast recht. Ich könnte das keinem anderen antun, und ich kann nicht befehlen, was ich selbst nicht tun will. Einer meiner Grundsätze. Aber das Rudel ist ein Sauhaufen, und wenn du ein weiteres Abgleiten verhindern willst, damit nicht jeder gegen jeden kämpft, musst du hart sein. Du musst klarmachen, dass so etwas nicht akzeptiert wird.«
»Wird es auch nicht.« »Das kapieren sie nur auf eine Weise, Richard.« »Durch Bestrafung«, sagte er und ließ es klingen wie einen Fluch. »Ja.«
»Ich habe Monate, nein, Jahre darum gerungen, von einem Strafsystem wegzukommen. Du verlangst, dass ich alles wegwerfe, worauf ich hingewirkt habe, und zum Alten zurückkehre.«
Gregory hob langsam unter Schmerzen die Hand und fasste mich kraftlos am Arm. Ich strich ihm über die zerzausten Haare. Mit heiserer Stimme, als hätte er tagelang trotz Knebel geschrien, sagte er: »Ich will ... hier raus. Bitte.«
Ich nickte so, dass er es sehen konnte, und eine unbeschreibliche Erleichterung spiegelte sich in seinen Augen.
»Wenn dein System besser funktionierte als das alte, würde ich es unterstützen«, sagte ich zu Richard. »Aber es funktioniert nicht. Es tut mir leid, dass es so ist, aber das ist eine Tatsache. Wenn du dieses ... Experiment fortsetzt, deine Demokratie mit den freundlichen Gesetzen, werden Leute sterben. Nicht nur du, sondern auch Sylvie und Jamil und Shang-Da und jeder Wolf, der dich unterstützt. Aber es ist noch schlimmer als das, Richard. Ich habe das Rudel beobachtet. Es ist gespalten. Es wird einen Bürgerkrieg geben, und sie werden sich in Stücke reißen - Jacobs Anhänger und seine Gegner. Hunderte werden sterben, und vielleicht wird es den Klan danach nicht mehr geben. Denk an den Thron, auf dem du sitzt. Er ist alt, du kannst es fühlen. Lass nicht alles, wofür er steht, untergehen.«
Er starrte auf die Stichwunde in seiner Handfläche, die noch blutete. »Lass uns Gregory raus schaffen.«
»Du willst Jacob bestrafen, aber nicht die anderen«, sagte ich müde. »Zuerst will ich herausfinden, wer sie sind, dann sehen wir weiter. «
Ich schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich, Richard.« »Aber?«
»Aber die Leute, deren Sicherheit von mir abhängt und die auf mich zählen, sind mir wichtiger als diese Liebe.« Es war mir schrecklich, das zu sagen, aber es war die Wahrheit.
»Was sagt das über deine Liebe?«, fragte er.
»Werde jetzt bloß nicht scheinheilig. Du hast mich fallen lassen wie ein heiße Kartoffel, als mich das Rudel abgewählt hat. Du hättest sagen können: scheiß drauf, nimm den Thron, Anita bedeutet mir mehr. Aber das hast du nicht getan.«
»Glaubst du wirklich, Jacob hätte mich gehen lassen?«
»Das weiß ich nicht, aber du hast das Angebot nicht gemacht. Es ist dir nicht mal in den Sinn gekommen, nicht wahr?«
Er sah weg. Als er mich wieder anblickte, wirkte er so traurig, dass ich es am liebsten zurückgenommen hätte, aber ich konnte nicht. Das Gespräch war fällig gewesen. Es war wie der alte Witz mit dem Elefanten im Wohnzimmer. Keiner nimmt ihn zur Kenntnis, erst als die Scheiße so hoch steht, dass man sich nicht mehr bewegen kann. Wenn ich mir Gregory ansah, wusste ich, dass die Scheiße schon zu hoch stand, um sie noch ignorieren zu können. Es ging nicht mehr, die Wahrheit musste ausgesprochen werden, egal wie brutal sie war.
»Auch wenn ich abgedankt hätte, wäre es zum Bürgerkrie1; gekommen, selbst wenn Jacob mich hätte gehen lassen. Er hätte auf jeden Fall meine engsten Unterstützer hingerichtet. Das hätte bedeutet, dass ich sie im Stich lasse. Ich würde lieber sterben, als einfach weggehen und sie ausliefern.«
»Wenn du das wirklich so siehst, habe ich einen besseren Plan. Erteile Jacob und seinen Helfern eine Lehre.«
»Das ist nicht so einfach, Anita. Jacob hat so viele Unterstützer, es könnte im Rudel trotzdem zum Krieg kommen.« »Nicht, wenn die Lehre ausreichend blutig ist.« »Worauf willst du hinaus?«
»Sorge dafür, dass sie dich fürchten, Richard. Jage ihnen Angst ein. Machiavelli hat das
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