Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
verwahrt wurden?« Er hielt ihm die offene Hand mit den Ohrstöpseln hin.
»Oh mein Gott«, hauchte Sylvie. »Was ist das?«, fragten andere. »Ich könnte sie an dir benutzen«, sagte Richard.
Jacob verlor ein bisschen Farbe, antwortete aber nicht. Er biss die Zähne zusammen, das sah ich am Spiel der Kiefermuskeln. Er wollte nicht verraten, wer ihm geholfen hatte. Er fragte nicht mal, ob ihn ein Verrat vor der Oubliette bewahren würde. Das rang mir Bewunderung ab. Aber Sympathie nicht.
»Das würdest du nicht tun.« Das kam von Paris, die schon nicht mehr so selbstsicher wirkte wie vor dem Thron. Sie sah in ihrem hautengen Kleid sogar richtig verunsichert aus.
Richard sah sie lange an, oder vielleicht kam es mir nur lange vor, jedenfalls guckte sie schließlich weg.
»Du hast recht. Ich will das Jacob nicht antun und auch keinem anderen.« Er schaute ringsherum in die Gesichter der Wölfe und der anderen, die zwischen den Bäumen warteten. »Aber hört mir gut zu: Wenn es noch mehr davon gibt, will ich, dass sie vernichtet werden. Wenn Jacob aus der Oubliette rauskommt, wird sie für immer verschlossen. Ihr habt nichts von mir gelernt, wenn ihr so etwas tun könnt, gar nichts.« Er gab Sylvie ein Zeichen, und sie kam mit einer Spritze.
Die drei Werwölfe mussten Jacob auf den Boden drücken, damit sie ihm die Dosis verabreichen konnte. Sie hielten ihn fest, bis er schlaff wurde und die flatternden Lider schloss.
»Er wird in der Oubliette aufwachen«, sagte Richard. Er klang nicht nur müde, sondern defensiv. Als sie Jacob zu dem Erdloch trugen, drehte er sich zu mir um. »Nimm deine Leoparden und deine Verbündeten und geh nach Hause, Anita.«
»Ich bin immer noch Lupa, du kannst mich nicht aus den Rudelangelegenheiten rausdrängen.«
Er lächelte müde und nur mit dem Mund. »Du bist noch immer Lupa, aber auch die Nimir-Ra, und deine Leoparden brauchen dich heute Nacht. Kümmere dich um Gregory, und falls es dir etwas bedeutet: Mir tut das alles sehr leid.«
»Das bedeutet mir etwas, Richard, aber es ändert nichts.« »Das tut es nie.«
Ich konnte seine Stimmung nicht so ganz deuten. Er war nicht traurig oder besorgt oder etwas in der Richtung, er wirkte eher geschlagen. Er sah aus, als hätte er die Schlacht schon verloren.
»Was wirst du tun?«, fragte ich. »Herausfinden, wer Jacob geholfen hat.« »Wie?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Geh nach Hause, Anita.«
Ich stand da und sah ihn ein, zwei Sekunden lang an, dann wandte ich mich meinen Leoparden zu. Gregory lag auf einer Trage, und Zane und Noah trugen sie. Cherry redete mit dem Werwolfarzt, der Jacobs Nase verbunden hatte. Sie nickte viel. Ließ sich vielleicht Ratschläge geben.
Micah stand am Rand der Gruppe und betrachtete mich. Unsere Blicke trafen sich und blieben ernst. Ich sah mich nach Richard um. Er ging bereits mit Jamil und Shang-Da durch die Bäume davon. Micah machte ein bemüht neutrales Gesicht, während ich auf ihn zuging. Die Hoffnung hatte sich verflüchtigt. Ich hätte mich unberührt geben können, aber ich wollte nicht. Ich war müde, so schrecklich müde. Meine Klamotten stanken wie ein Plumpsklo, und meine Haut vermutlich auch. Ich wollte duschen, frische Sachen anziehen und die Hoffnungslosigkeit aus Gregorys Blick vertreiben. Das Duschen und die frischen Sachen waren das Einfache dabei. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich Gregory den Schmerz nehmen könnte.
Ich streckte Micah die Hand hin, nicht wegen seiner fremdartigen Kräfte - Niedergeschlagenheit dämpft offenbar den Energiefluss - sondern weil ich die Berührung einer anderen Hand brauchte. Ich wollte Trost und nicht darüber nachdenken müssen. Ich wollte einfach festgehalten werden.
Er staunte ein bisschen, nahm aber meine Hand und drückte sie sanft. Ich trat den Rückweg an und nahm Micah an der Hand mit. Die anderen folgten uns. Auch der Schwanenkönig und die Werratten. Anita Blake als Rattenfänger von Hameln.
Ich hätte gern gelächelt bei dem Gedanken, brachte es aber nicht fertig.
28
Zwei Stunden später hatte ich geduscht und Gregory gebadet, wobei ich allein gewesen war und Gregory Gesellschaft gehabt hatte. Er konnte seine Arme und Beine noch immer nicht vollständig gebrauchen. Ich fand nicht, dass Cherry, Zane und Nathaniel nackt sein und zu ihm in die Wanne steigen mussten, aber na ja, ich selbst bot keine Hilfe an, hatte also auch kein
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