Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
solcher Kummer in seinen dunklen Augen, dass ich mich fast abgewandt hätte, doch er musste reden. »Louisa ist im Gefängnis und Guy ist tot.«
Ich runzelte die Stirn. »Die Namen sagen mir nichts.«
»Louisa ist erst kürzlich zum Werwolf geworden.« Er senkte wieder den Blick und wollte mich nicht ansehen. »Guy ist ihr Verlobter ... ihr Mann. War ihr Mann.« Er schlug dic Hände vors Gesicht und schüttelte in einem fort den Kopf.
Ich zog ihm die Hände so weit herunter, dass ich seine Augen sehen konnte. »Richard, sprich mit mir.«
Er nahm meine Hände und hielt sie fest, während ich zusah, wie der Schmerz in seinen Augen in seine Worte floss. »Louisa hat Guy auf ihrer Hochzeitsreise getötet, gestern. Der Anruf kam kurz bevor ich herkam.«
»Ich verstehe noch immer nicht. Das ist schrecklich und tragisch, aber ... «
»Ich war ihr Pate. Ich habe ihr beigebracht, das Tier in ihr zu beherrschen, und sie hat die Beherrschung verloren, auf ihrer Hochzeitsreise mitten beim ...« Er ließ den Kopf hängen und drückte sich meine Hände an die Stirn.
»Beim Sex«, beendete ich den Satz.
Er nickte, das Gesicht an meine Hände gedrückt. »Sie war noch Jungfrau gewesen«, murmelte er leise. »Sagtest du Jungfrau?«
Er ließ mich los und ließ die Hände in den Schoß sinken. Erst in dem Moment fiel mir auf, dass er sich ein Handtuch uni die Hüfte gebunden hatte. »Ja.«
»Du meinst, sie hat vorher nie versucht, ihr Tier beim Sex im Zaum zu halten?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Sie waren zwei Jahre lang verlobt, dann wurde Louisa überfallen und wurde eine von uns. Sie beide wollten bis zur Hochzeitsnacht warten.«
»Löblich«, sagte ich. »Aber Orgasmus ist Orgasmus. Wenn sie sich bei einem ohne Geschlechtsverkehr beherrschen konnte, hätte ihr das auch beim Geschlechtsverkehr gelingen müssen. Du hast für sie getan, was du konntest.« Ich fasste ihn sacht an der Schulter.
Er schreckte zurück, als hätte ich ihn verbrannt, und sprang so ungestüm auf, dass der Stuhl gegen die Kochinsel prallte und umfiel. Ich merkte, dass mehr Leute im Kücheneingang erschienen. »Alles in Ordnung«, sagte ich und drehte mich um. Shang-Da, Merle und zwei Werratten waren dort zögernd stehen geblieben. »Es geht uns gut, ihr könnt wieder gehen.« Sie zogen sich zurück, aber ich wusste jetzt, dass wir Zuhörer hatten, denn sie würden nicht weit weggehen.
Richard stand in meiner Küche mit nichts als einem Handtuch um die Hüften und wurde von der Morgensonne angestrahlt. Normalerweise hätte mich das von allem Vernünftigen abgebracht, aber diesmal nicht. Als ich ihn so dastehen sah, so abwehrend, so verletzt, kam mir ein furchtbarer Gedanke.
»Bitte sag mir nicht, dass sie mit jeglicher Form von Sex bis zur Hochzeitsnacht gewartet hat.«
Er hob das Kinn, und sein Gesicht wurde arrogant, aber es war eine Maske. Darunter war er erschrocken und schuldbewusst. »Ich habe ihr beigebracht, das Tier bei allen Emotionen zu beherrschen - Wut, Trauer, Angst, Schmerz -, aber nicht beim Sex. Ich habe ihre Grenzen respektiert.«
Ich starrte ihn an. Das war so typisch Richard. Theoretisch stimmte ich ja mit ihm überein, aber Theorie und Praxis sind nicht dasselbe. Im wirklichen Leben war das eine schlechte Idee gewesen, und das wusste er selbst noch besser als ich.
Ich fühlte mein Gesicht ausdruckslos werden. Nichtssagend wie ein Bulle beim Verhör. Ich wollte mir jetzt nicht anmerken lassen, was ich dachte. »Diese Louisa hat sich also beim Sex verwandelt und ihren Mann getötet, und die Bullen haben sie geschnappt.« Ich fügte nicht hinzu, wie überrascht ich war, dass sie sie nicht gleich erschossen hatten. Den großen bösen Wolf zu erwischen, wie er ein zartes Menschlein fraß, reicht(, als Begründung für einen tödlichen Schuss.
»Louisa hat sich gestellt. Wenn sie Selbstmord nicht für eine Sünde hielte, hätte sie sich wahrscheinlich umgebracht.« Er drehte sich zu mir um und ging zur Glasschiebetür, um e,-schöpft die Stirn dagegen zu lehnen.
Ich wünschte, ich hätte sagen können, es sei nicht seine Schuld, aber das stimmte nicht. Er war ihr Pate gewesen und hätte ihr alles Nötige beibringen müssen. Ich hatte das vom Umgang mit den Leoparden gelernt, und von Richard und Vernes Rudel in Tennessee, dass ein Orgasmus, egal wie er herbeigeführt wurde, der wahre Beherrschungstest war. Der Orgasmus wirkte erlösend,
Weitere Kostenlose Bücher