Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
aber gerade das löste den Gestaltwechsel aus, den schlimmsten Albtraum, wenn man einen menschlichen Geliebten hatte. Richard hatte mir oft genug entgegnet, wenn wir zusammen waren, dass er sich am Vollmondabend oder am Tag davor nicht auf sich verlassen konnte. Er fürchtete gar nicht, mich zu töten, sondern mich zutiefst zu erschrecken. Oder ehrlicher ausgedrückt, mich anzuwidern. Er hatte sich einmal auf mir verwandelt und das ganz ohne Sex. Nach diesem Anblick war ich zu Jean-Claude geflüchtet. Na ja, ich hatte ihn auch jemanden fressen sehen.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Nur, dass ich etwas sagen sollte. Dass Schweigen schlimmer war als alles andere.
Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Na los, Anita, sag mir, dass ich ein Dummkopf bin. Sag mir, dass ich die beiden auf dem Altar meiner Ideale geopfert habe.« Er klang so verbittert, dass es mir nur vom Hören die Luft abschnürte.
»Louisa und Guy wollten ihren Vorstellungen treu bleiben. Und du wolltest ihnen dabei helfen. Das ist ganz logisch, typisch du.« Mein Ton war ausdruckslos, aber wenigstens nicht vorwurfsvoll. Besser ging's nicht. Mein Atem war sowieso verschwendet, weil Richard und das Pärchen sich mehr für den Schein als die Realität interessiert hatten. Aber vielleicht bin ich auch bloß zynisch und müde, schrecklich müde.
Es war wie bei jeder richtig guten Tragödie - eine logische Folge der Persönlichkeiten der beteiligten Personen. Wäre Richard praktischer und nicht so idealistisch veranlagt, wären Louisa und ihr Mann nicht so religiös gewesen, nicht so sauber - Mann, wenn der Ehemann wenigstens nicht so talentiert gewesen wäre, sie mit normalem Geschlechtsverkehr zum Orgasmus zu bringen. Ziemlich vieles hatte die guten Absichten in diese Katastrophe münden lassen.
»Ja, das war typisch ich, und ich habe etwas falsch gemacht. Ich hätte sie wenigstens zwingen müssen, ihre erste Erfahrung mit Guy zu machen, wo das Rudel sie überwachen und ihn retten konnte. Aber Louisa war so ... so empfindlich, wenn es darum ging. Ich konnte einfach nicht darauf bestehen. Ich konnte sie nicht zwingen, sich im Beisein anderer auszuziehen und ihren intimsten Moment vor Zeugen zu erleben. Ich habe das nicht über mich gebracht.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich tat das Einzige, was mir als Trost einfiel. Ich legte die Arme um seine Taille, drückte die Wange an seinen glatten festen Rücken und hielt ihn fest. »Es tut mir so leid, Richard, so unheimlich leid.«
Er fing an zu zittern, und ich begriff, dass er wieder weinte, lautlos, aber heftig. Dann wurde er von quälenden Schluchzern geschüttelt, aber er gestattete sich keinen Laut außer dem harschen Keuchen, wenn er tief Luft holte.
Langsam ließ er sich auf die Knie sinken, seine Hände rutschten an der Scheibe entlang. Ich blieb stehen, beugte mich über ihn und barg seinen Kopf an meinem Körper, während ich Arme und Hände an seiner Brust ruhen ließ.
Er fiel gegen mich, und ich versuchte plötzlich sein Gewicht zu halten, als er dem Boden entgegen sank. Ich trat mir auf den Saum, und wir landeten aufeinander am Boden, er mit Kopf und Schultern in meinem Schoß und ich bemüht, aufrecht zu sitzen. Der Knoten in seinem Handtuch hatte sich gelockert, und ein langes Stück Haut von der Taille bis zum Fuß war zu sehen. Das Handtuch hielt noch, aber nicht mehr lange.
Richard öffnete den Mund zu einem stummen Schrei, dann kam plötzlich ein Laut. Er stieß einen abgerissenen, tränenerstickten Schrei aus, der etwas in ihm löste. Er schluchzte, wimmerte und schrie und klammerte sich an meine Arme, dass ich mit blauen Flecken rechnen konnte. Und ich konnte nichts weiter tun als ihn festhalten und hin und her wiegen, bis er ruhig wurde. Schließlich lag er auf der Seite, mit dem Oberkörper so weit wie möglich auf meinem Schoß und die Beine angezogen, sodass gewisse Dinge nicht zu sehen waren. Da, Handtuch lag unter ihm zusammengeknüllt. Ich hatte es nicht bemerkt, als der Knoten aufgegangen war. Darauf war ich gewissermaßen stolz, denn normalerweise verlor ich vierzig IQ-Punkte und einen Großteil meiner Denkfähigkeit, sobald ich Richard nackt sah. Aber seine innere Verzweiflung war so groß; er brauchte wirklich Trost, keinen Sex.
Schließlich lag er still in meinen Armen und atmete allmählich ruhiger. Ich sah seine Lider zitternd zufallen, und einen Moment lang glaubte ich, er sei eingeschlafen. Dann sagte er mit
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