Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
neigte er sich langsam mit halb geöffneten Lippen heran.
Ich erstarrte, wusste nicht, was ich tun sollte. Nicht dass ich ihn jetzt weniger anziehend fand als vorher. Es war nur ... Oh Mann, ich wusste nicht, was jetzt kam. Ich wusste nicht mal, was ich tun wollte.
»Wolltet ihr nicht Damian aus dem Sarg holen?«, fragte Asher trocken und brachte mich zur Besinnung. Jean-Claude fauchte ihn an und wirkte noch unmenschlicher als beim Saugen.
Asher schnellte aus dem Sessel hoch. »Na schön, wenn ihr miteinander schlafen wollt, muss ich es mir ja nicht ansehen.«
Ich stand auf, sodass Micahs Hände an mir abglitten, und ging von der Couch weg. »Hör zu«, sagte ich zu Asher, »im Augenblick bin ich über so alles hinaus, dass ich kaum denken kann, aber eines sage ich dir: Ich werde nicht dein männliches Ego beschwichtigen, wenn ich doch selbst am liebsten wegrennen würde. Also spar dir die Allüren, Asher, ich kann mich jetzt nicht damit befassen.«
Plötzlich bebte er vor Wut, seine Augen waren wie eisige blaue Seen. »Ich bin untröstlich, dich mit meinem Unbehagen belästigt zu haben.« »Leck mich, Asher.«
Im selben Moment ging er auf mich los. Ich wich so unüberlegt zurück, dass ich gegen die Couch fiel. Micah fing mich ab, sonst wäre ich am Boden gelandet. Ich hatte Zeit, um eine Pistole oder ein Messer zu ziehen, tat es aber nicht. Asher wollte mich nicht körperlich, sondern seelisch verletzen. Er beugte sich über mich und Micah, obwohl Letzteres sicher unbeabsichtigt war, stützte sich rechts und links neben uns auf und kam ganz nah an mein Gesicht, so nah, dass ich den Kopf zurücklehnen musste, um seinem eisig blauen Blick begegnen zu können. »Mach keine Angebote, die du nicht einlösen kannst, ma cherie, denn das ärgert mich.«
Dann richtete er sich abrupt auf und verließ den Raum. »Was hatte das zu bedeuten?«, fragte Micah leise und ließ mich noch nicht los. Ich schüttelte den Kopf. »Frag Jean-Claude.« Ich stand auf. »Ich gehe jetzt zu Damian.« »Ich werde dich begleiten, ma petite.«
»Schön.« Ich machte mich auf den Weg. Ich hörte sie hinterherkommen, spürte sie beide hinter mir. Fast hätte ich den Kopf gedreht, um zu sehen, ob sie Händchen hielten. Aber wenn, dann wäre ich dem Anblick noch nicht gewachsen gewesen.
Bobby Lee zog wortlos hinter uns her. Kluger Mann.
53
Der Raum bestand aus nackten Steinmauern. Es gab nicht den geringsten Komfort. Das war das Verlies der Vampire, und genau so sah es auch aus. Ein halbes Dutzend Sär;;~ standen auf blanken Sockeln mit silbernen Ketten daran, dic darauf warteten, über die Särge gelegt und mit Schlössern und Kreuzen verschlossen zu werden. Nur zwei Särge waren auf diese Weise verschlossen. Zwei? Zwei zugekettete Särge. 111 einem lag Damian. Wer lag in dem anderen?
»In welchem liegt deiner?«, fragte Bobby Lee. »Keine Ahnung«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Ich dachte, du seist sein Meister?« »Theoretisch.« »Solltest du dann nicht sagen können, in welcher Kiste ei - liegt?«
Ich sah ihn von der Seite an und musste ihm recht geben. »Stimmt.« Ich schaute über die Schulter zur Tür, aber da war niemand in Sicht, wir waren noch allein. Ich wusste nicht, Micah und Jean-Claude abgeblieben waren, und tat mein bestes, um mich keinen Spekulationen hinzugeben.
Ich versuchte, mich auf die beiden Särge zu konzentrieren, aber vergeblich. Früher konnte ich Damian in seinem Sarg spüren, noch bevor er erwachte, doch ich empfing nichts, außer - dass Vampire darin lagen. Ich näherte mich dem nächststehenden. Das Holz war hell und glatt. Nicht der teuerste, aber auch nicht der billigste. Ein schwerer, gut gearbeiteter Sarg. Ich strich mit den Händen über den glatten Deckel, betastete die kalten Ketten. Innen prallte etwas dagegen. Ich fuhr erschrocken zusammen.
Bobby Lee lachte.
Ich sah ihn böse an, dann wandte ich mich dem Sarg wieder zu, aber ohne ihn anzufassen. Ich wusste, es war unmöglich mit einem gesegneten Kreuz auf dem Deckel, trotzdem stellte ich mir vor, wie eine Faust durch das Holz stieß und mich packte. Damian war angeblich ein mordender Irrer geworden. Lieber vorsichtig als tot.
Ich hielt die Hände über den Sarg, zog meine Nekromantenkräfte zusammen, wie man Luft holt, und verströmte sie, nicht nur mit den Händen, sondern mit dem ganzen Körper. Diese Kräfte gehörten zu mir und bestimmten, was ich war, nicht nur, wer
Weitere Kostenlose Bücher