Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
kein königlich bevollmächtigter Hexenjäger mehr, der einen überwundenen und gefangenen Gegner vor sich hatte, mit dem er machen konnte, was er wollte.
Wagos redete weiter und weiter. Theodus rauschte es in den Ohren und er verstand nur noch Wortfetzen. Seine Augen flatterten und der Raum schwankte. Da schoss die Hand des Rauschhändlers nach vorne. Er stülpte dem Magier die eine Muschelhälfte über die Nase. Einen gesunden Menschen hätte das sofort das Bewusstsein verlieren lassen. Theodus Gedanken wirbelten durcheinander.
Instinktiv griff er sich ins Gesicht, um die Muscheln zu entfernen. Die Ausdünstungen begannen ihn bereits zu berauschen. Von fern hörte er so etwas wie einen Chor, der sanft zu singen begann.
Wagos hatte ihn mittlerweile in ein Handgemenge verwickelt und versucht ihm die Muschel weiterhin an die Nase zudrücken. Seine andere Hand wanderte mit der zweiten Muschelhälfte in Richtung des rechten Ohres von Theodus.
Die beiden stolperten durch den kleinen Raum. Theodus wehrte sich so gut er konnte, doch Wagos war trotz seiner Schmächtigkeit jünger als er und überraschend kräftig.
Der Chor kam näher und Theodus drohte der Widerstand zu brechen. Ein Bild schoss ihm durch den Kopf – Lavielle, Bermeer, Ankwin und Garock, wie sie einst um ihn standen und ihn mit besorgten Blicken betrachteten. Er war in einem Kampf zu Boden gegangen. Der Chor sang und entriss ihm dieses Bild, doch mit einer letzten Anstrengung stieß er Wagos von sich. Dabei verlor er das Gleichgewicht und stürzte rücklings in den weit geöffneten Schrank, der außer dem Weinbrand und ein paar weiterer Muscheln noch unzählige der verschiedensten Rauschmittel barg, die Brakenburg zu bieten hatte.
Das Letzte, was er spürte, war ein beißender Geruch in der Nase und den Drang zu niesen.
Im Halbdunkel
(Brakenburg, 11. Tag)
Ein leises Knarren war zu hören, als er sein rechtes Bein belastete. Er war hochkonzentriert und nahm alles um sich herum wahr. Es war ein äußerst angenehmes Gefühl. Bermeer war in diesem Augenblick sehr zufrieden und eins mit sich.
Er war auch mit der Erfüllung seiner Aufgaben sehr zufrieden. Der Hauptverantwortliche war tot, seinen anderen Auftrag hatte er gleich als Erstes erledigen können. Der Bärenfelsener war im Liebestaumel und würde wohl sobald nichts von sich hören lassen. Und doch würde er vorsichtig bleiben.
Als akrobatischer Narr auf dem Markt aufzutreten war eine willkommene Abwechslung, und wenn er ehrlich war, so war ihm seine Tarnung manchmal lieber als seine wahre Aufgabe. Langsam setzte er den nächsten Schritt. Wieder ein Knarren. Dieses Mal wurde es von dem Raunen der Menge begleitet. Ruhig holte er die drei bunten Lederbälle aus seinem Gewand, zog eine Grimasse und begann zu jonglieren.
Die Menge begann zu klatschen. Bermeer musste zugeben, dass das die schönste Seite an der Gaukelei war. Er stand im Mittelpunkt und bekam lauten Beifall für seine Leistungen.
Für seine anderen Fähigkeiten bekam er nie lauten Beifall oder stand gar im Mittelpunkt. Wäre das so, wäre er längst tot. Bermeer fühlte sich sehr gut. Übermütig baute er noch einen kleinen Sprung ein und landete mit beiden Füßen wieder sicher auf dem Seil. Dann ließ er die Bälle so verschwinden, als hätte er sie nacheinander verschlungen.
Unter dem Lachen der Zuschauer und staunenden ‚Ohs‘ und ‚Ahs‘ ließ sich Bermeer in einem Überschlag vom Seil fallen und landete gekonnt auf dem sieben Fuß tieferen Pflaster. Übertrieben stolzierte er wie ein Gockel umher, zog eine weitere Grimasse und glitt absichtlich aus.
Die Menge johlte und lachte und auch Bermeer saß lachend auf seinem Hintern und strahlte. Direkt vor ihm stand Pitto, der tote Sohn des Fered, in einem Gauklerkostüm. Er war leichenblass und an der Stirn trug er eine klaffende Wunde. Er lachte auch.
Bermeers Herz zog sich zusammen, als wäre es gefroren. Einen Lidschlag später stand an der gleichen Stelle ein glücklicher gesunder Junge mit einer schmuddeligen Bäckerstracht und lachte aus vollem Hals.
Der Gaukler sprang beinahe hektisch aus dem Liegen direkt auf die Beine, kassierte noch eine Welle des Beifalls, verbeugte sich eine Spur zu schnell und verschwand hinter der kleinen Gauklerbühne.
Bermeer musste sich setzen. Er wollte es sich nicht recht eingestehen, doch er zitterte. Viele Grimassen des Todes hatte er schon gesehen und doch setzte ihm der tote Pitto schrecklich zu. Er hatte schon öfter von ihm
Weitere Kostenlose Bücher