Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
geträumt, doch dass er ihn am Tage sah, war neu.
Schon war der nächste Gaukler mit einem angeketteten Bären dran und Bermeer begann bereits, in den Köpfen der Zuschauer zu einer der zahllosen Erinnerungen auf einem riesigen Volksfest zu verblassen.
Jeder der Gauklertruppe, der gerade nichts zutun hatte, kam kurz vorbei, klopfte ihm auf die Schulter und zollte ihm Respekt. Abwesend nickte er und bedankte sich. Er musste sich zusammen reißen.
Prüfend fasste er sich kurz an die Stirn. Seine Hand sank ihm kraftlos in den Schoß, auf den er seinen Blick gerichtet hatte. Die Handfläche war totenbleich. Bermeer schoss es wieder in die Magengrube. War er tot?
»Hier ...«, einer seiner komischen Mitstreiter hielt ihm einen etwas schmuddeligen Lappen hin. Erleichtert begriff Bermeer, dass er sich für seinen Auftritt ja weiß geschminkt hatte. Mit einem flüchtigen Nicken nahm er das hässliche Gewebe entgegen und wischte sich sein zweites Leben vom Gesicht, dann presste er die Kiefer aufeinander, und zwang den Atem zwischen seinen Zähnen durch.
Er stand entschlossen auf und tauschte das Gauklerkostüm gegen eine einfache Hose und einen schlichten grauen Umhang. Als Nächstes suchte er unerkannt von der Menge den nächsten Brunnen auf. Die Kälte des Wassers krallte sich in seine Kopfhaut und zwang seinen Verstand zu klaren Gedanken. Er behielt den Kopf solange unter Wasser, bis seine Lunge beinahe das Wasser ansog, dann tauchte er auf und atmete tief ein. Der blutigeiserne Geschmack in seinem Mund gab ihm das Gefühl von Kontrolle.
Blut war etwas Reales, mit dem er umzugehen wusste. Bermeer beschlich das Gefühl, dass er hier in Brakenburg noch lange nicht fertig war.
Als er sich später auf dem Weg zu einer der Straßenküchen befand, sah er den anderen schon von Weitem auf sich zukommen. Keinem fiel er auf. Er war ein Gesicht in der Menge und doch nahm Bermeer die Erkennungszeichen schon frühzeitig wahr. Er tat so, als suche er jemandem in einem der oberen Fenster eines Hauses, als der andere ihn unmerklich streifte.
Erst als Bermeer satt in dem kärglichen Herbergszimmer auf seiner Brittsche lag und sich sicher war, alleine zu sein, zog er die Tonscherbe aus der Tasche, die ihm der andere zugesteckt hatte. Nur Eingeweihte verstanden die sonderbar angeordneten Kratzer und Striche darauf. Jeder andere sah nur ein Stück Abfall von der Straße.
Aufmerksam studierte der Blutbote seine neuen Anweisungen. Schon nach kurzer Zeit hatte er sie sich eingeprägt und konnte sie im Geiste auswendig aufsagen.
Bedächtig zog er seinen Mantel über, überprüfte kurz und gezielt seine Ausrüstung und verließ die Herberge. Er würde sich beeilen müssen, wenn er noch vor Torschluss aus der Stadt kommen wollte. Bermeer hatte zwar Möglichkeiten, trotzdem aus der Stadt hinaus und wieder hinein zugelangen, doch er wollte nichts riskieren.
Beim Verlassen des Hauses ließ er die Scherbe fallen und zertrat sie wie zufällig.
***
Langsam schlürfte der alte Fallensteller sein warmes Dünnbier und genoss die Hitze des offenen Kamins, der unweit von ihm die Kühle der Frühlingsnacht draußen hielt.
Das Wirtshaus hatte sich mittlerweile mit allerlei Gestalten gefüllt. Pelzhändler mit Waren aus dem Norden, Gaukler, die in Brakenburg auf gutes Geld hofften, Bauern, die am frühen Morgen Hühner, Eier oder anderen Naturalien auf dem Markt verkaufen wollten, vier Stadtwachen, die ihre Landpatrouille mit einem Humpen Starkbier beendeten und eben ein alter Fallensteller, der beim Schlürfen den Eindruck erweckte, jeden Moment an Alterschwäche zu sterben.
Wieder einmal ging Bermeer der Beschäftigung nach, die ihn in seinem Beruf so erfolgreich machte. Er pflegte die Kunst des Wartens. Die Verkleidung als Fallensteller war ihm sehr gut gelungen und der Platz im hinteren Bereich des Wirtshauses war ideal, um alles im Blick zu behalten.
Einzig die Soldaten der Landpatrouille bereiteten ihm ein ungutes Gefühl und nicht nur einmal spannte er seinen Bauch unter dem lockeren Gewand an, nur um den Dolch am Gürtel zu spüren.
Er hätte die vier Gestalten nur zu gerne im Schatten eines Strauches zu Fered und seiner Familie geschickt, doch die Anweisungen auf der Scherbe hatten keinen Zweifel daran gelassen, dass er völlig unauffällig bleiben musste. Er würde warten, bis die drei Pelzhändler ihn ansprachen.
Erst als es auf Mitternacht zuging, kam Bewegung in die Gäste. Die meisten bereiteten ihr Nachtlager, wo sie eben noch
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